Zu welchen Leistungen die Menschheit fähig ist, zeigen die Amerikaner Justin Esch und Dave Lefkow, die eine Firma gründeten, deren Geschäftszweck so lautet: Die ganze Welt soll nach Schinkenspeck riechen und schmecken.
Dieses Ziel anstrebend, haben die beiden zunächst ein Produkt namens Bacon Salt vorgestellt, mit dem gewürzt jedes Gericht einen mehr oder weniger großen Hauch von Speckaroma bekommt, eine Wirkung, die jedenfalls viele Bürger der Vereinigten Staaten zu schätzen wissen. In rascher Folge warf das Unternehmen daraufhin folgende Dinge auf den Markt: Bacon-Popcorn, Bacon-Lutscherstangen, Schinkenspeck-Mayonnaise (Baconnaise), Bacon-Kaugummi, Bacon-Lippenstifte sowie Bacon-Seife und ein Bacon-Deodorant, schließlich Bacon-Brausetabletten fürs Mineralwasser. Abgerundet wird die Produktpalette durch einen in Hochglanz erstrahlenden, speckfarbenen Schinken-Sarg, der schon zu Lebzeiten dem Freund durchwachsenen Schweinbauchs als Lagerstätte dienen kann.
Man mag dazu stehen, wie man will, insbesondere Freunde veganer Lebensweise werden nicht begeistert sein, wobei es ihnen freistünde, ein Erbsen-Deo oder Porree-Parfüms zu entwickeln, jedem das Seine. Fest steht, dass in einer freien Gesellschaft Platz für Menschen sein muss, die gerne Sachertorte mit Speckgeschmack essen.
Die Frage ist aber: Wenn es möglich ist, Seife mit Schinkenaroma zu produzieren, warum ist es dann nicht Winter, wenn wir wollen, dass es Winter ist? Wir alle möchten von Dezember bis, sagen wir, Anfang März in einer tief verschneiten Landschaft leben, auch würden wir gerne auf zugefrorenen Seen spazieren und meterhoch mit Schnee bedeckte Hänge hinuntersausen. Stattdessen blicken wir Weihnachten ins Grau-Grüne, sitzen im Januar in Straßencafés und lauschen an bayerischen Winterurlaubsorten dem rhythmischen Klagegesang der Liftbetreiber.
Der Mensch kann mittlerweile künstlich Schnee produzieren, aber nicht, wenn es wärmer ist als ein Grad plus. Er kann weiße Bänder vom Berg ins Tal legen, um darauf Skirennen zu veranstalten; doch gelingt es ihm nicht, auch den Rest von Gebirg’ und Tal weiß zu beflocken. Warum nicht?
Wieso nehmen wir es hin, dass die Natur uns die Erfüllung unserer größten Wünsche verwehrt? Kann es sein, dass wir klaglos die Launen einer irre gewordenen Schöpfung akzeptieren, die es nicht Winter sein lässt, wenn doch ein kurzer Blick in den Kalender lehrt: Es ist Winter!
Fachleute sagen, wir müssten in Zukunft mit grünen Weihnachten und vielleicht weißen Ostern leben. Das wollen wir uns gefallen lassen?! So möchten wir uns von der Natur schurigeln lassen? Wir, die wir im Stande sein werden, im Mai die zurzeit 807 Millionen Kilometer von der Erde entfernte Raumsonde Rosetta auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko landen zu lassen? Wir, die wir in einem subtropischen Ort namens Sotschi Winterspiele und in einer Gluthölle namens Katar Fußball-Weltmeisterschaften zu veranstalten in der Lage sind? Wir, die wir, wenn es uns nur gelüstete, jederzeit lebend und nach Schinkenspeck duftend in einem Schinkenspecksarg liegen könnten, Schinkenspeckstangen in Schinkenspeckmayonnaise tunkend, unseren Durst mit Schinkenspeckwasser löschend?
Wer immer dafür verantwortlich ist, dass die Dinge sind, wie sie sind, wer immer uns den Winter verwehrt, den wir verdient haben, wer immer meint, er müsse unsere Wünsche nicht erfüllen, er höre Folgendes: Wir werden lernen, Schnee bei fünfzehn Grad plus zu erzeugen. Wir werden mit diesem Schnee ganze Landstriche bedecken, wenn es uns beliebt. Wir werden gigantische Maschinen zur Überzuckerung kompletter Länder entwickeln. Wir werden auch Apparate zur Einsaugung des Schnees ab dem 15. März bauen. Und sollte uns das nicht genug sein, werden wir jede verdammte Schneeflocke nach Bacon riechen lassen. Ist das jetzt klar? Ja, das ist eine Drohung.
Illustration: Dirk Schmidt