Das Beste aus meinem Leben

Neulich lernte ich Frau Beil kennen, und sie sagte, sie verkneife sich jetzt den Scherz: »Na, wie gut, dass wir beide nicht geheiratet haben, was?« Ich hätte beinahe geantwortet, dass ich dann sicher meine Geschichten unter dem Titel »Das Beilste aus meinem Leben« veröffentlichen würde, aber das verkniff ich mir dann auch – und fertig. Für seinen Namen kann keiner was, sagt man immer. Und deshalb dürfe man keine Namenswitze machen. Ist klar. Macht ja auch keiner.Übrigens habe ich als Kind meinen Namen gehasst und zwar beide Teile. Den zweiten Teil, weil die überaus witzigen Kinder in meiner überaus witzigen Klasse sich an keinem einzigen Tag ihres überaus witzigen Lebens sich die Gelegenheit entgehen ließen, Witze mit meinem Namen zu machen, indem sie…Ist ja klar, oder? Ich meine, mit meinem Namen sind schon so viele Witze gemacht worden, dass ich das Recht hätte, mindestens eine Million der allerblödesten Namenswitze zu machen, die man sich überhaupt nur vorstellen kann. Mache ich aber nicht.Warum ich meinen Vornamen gehasst habe, habe ich vergessen. Ich glaube, ich habe ihn auch nicht richtig gehasst, ich hätte bloß gerne einen anderen gehabt, »Christian« zum Beispiel. Christian hieß unser Nachbarsjunge und er bekam so viel Taschengeld, dass er sich problemlos ganz allein eine Familienpackung Fürst-Pückler-Eis kaufen und sie vor meinen Augen auf einen Sitz essen konnte. Ich glaube, deshalb gefiel mir sein Vorname, weil man damit so viel Taschengeld bekam.»Wolfgang« hätte ich auch gerne geheißen. Mein sehr lustiger Lieblingsonkel hieß Wolfgang. Im Gegensatz zu uns hatte er ein Auto und einen Fernseher. Ein paar Leser merken sicher allmählich, was ich in Wahrheit erzählen will: dass ich eine schwere Kindheit hatte, ohne Auto und Fernseher, mit wenig Eis, und dann hieß ich nicht mal Christian oder Wolfgang, es war alles ziemlich hoffnungslos, und oft träumte ich, eines Tages ein Fräulein Beil heiraten zu können und dann als großer Rächer Hackebeil ein bisschen unter meinen sehr witzigen Mitschülern wüten zu können. Und von Christians Fürst-Pückler-Eis, in das er immer hineinbiss wie in ein Butterbrot, hätte ich für mich mindestens das Erdbeer-Drittel hinuntergehackt oder abgebeilt.Übrigens gibt es eine Sesamstraßen-Episode, in der eine Postbotin, die vorher nie in der Sesamstraße war, ein großes Paket für Big Bird abliefert. Und Big Bird wundert sich, woher sie weiß, dass er Big Bird sei. Sie sagt, er sei ja nun mal ein großer Vogel und da liege es doch nahe …»Das vergesse ich manchmal«, sagt Big Bird. »Das Paket ist für Big Bird und ich bin ein großer Vogel. Ich bin das, was mein Name sagt. Big Bird.«Das macht ihn dann aber traurig. Alle haben richtige Namen in der Sesamstraße, bloß er nicht. Er fragt die Postbotin, wie sie heißt, und sie sagt: Imogene.»Schade, dass ich keinen so schönen Namen habe«, sagt Big Bird. »Ich habe nur einen, der sagt, was ich bin, so als ob ich ein Apfel oder ein Stuhl oder so was wäre.«Dann sucht er einen neuen Namen. Er findet solche wie Zackledackle, Ebenezer oder Napoleon, aber dann entscheidet er sich für Roy. Und als alle ihn Roy nennen, mag er den Namen plötzlich nicht mehr und kehrt zu Big Bird zurück. »Auch wenn Big Bird kein richtiger Name ist, es ist nun mal mein Name«, sagt er. »Und ich mag es einfach, wenn meine Freunde mich so nennen.«Gerade habe ich einen sehr netten Brief von Herrn und Frau W. aus Hannover bekommen, die ihren Sohn Luis genannt haben – »wegen der vielen positiven Bilder«, die sie nach jahrelanger Lektüre von Luis-Geschichten mit diesem Namen verbanden. Mir fiel ein, dass ich, als ich den Luis Luis nannte, gar kein Vorbild hatte. Ich hatte nicht besonders viel darüber nachgedacht, mir gefiel einfach der Sound des Namens gut und das »ui« in der Mitte, und ich dachte, es wäre ein besserer Name als Roy oder Ebenezer oder Big Bird. Und nun heißt in Hannover ein kleiner Junge Luis, und Herr und Frau W. schreiben, er benehme sich genau wie ein richtiger Luis.»Luis!«, rufe ich. »Hör dir diese Geschichte hier an!«Aber er hört nicht. Er kommt nicht, wenn ich »Luis!« rufe. Ich kann hundert Mal »Luis!« rufen – nichts geschieht. Eigentlich reagiert er nie auf den Ruf »Luis!« Manchmal denke ich, er weiß nicht, dass er so heißt, und ich sollte es ihm endlich sagen und ihn fragen, wie er das findet.