Das Beste aus meinem Leben

Seit einigen Jahren haben wir auf einem Bauernhof in Österreich ein Zimmer gemietet. Von diesem Zimmer aus gehen wir in den Ferien zum Skifahren und am Wochenende zum Baden, solche Sachen. Seitdem ist etwas sehr Seltsames in unserem Leben zu beobachten. Oder sagen wir: im Leben der Gegenstände, die uns umgeben. Es geht um Wiedergeburt.Früher war es so: Ich hatte einen alten Pullover oder eine Jeans, die man kaum noch tragen konnte, oder ein angejahrtes Hemd – die wanderten irgendwann in die Altkleidersammlung. Nun aber packe ich sie ein und nehme sie mit aufs Land. Lege sie dort in den Schrank. Denke: Da, auf dem Bauernhof, sind ein alter Pullover oder eine Jeans, die man in der Stadt nicht mehr trägt, oder ein angejahrtes Hemd noch gut am Platze.So gewinnen die Dinge ein zweites Leben.Ein spezieller Fall ist aber das Paar grüner Adiletten, die ich vor zehn Jahren kaufte, als ich beschlossen hatte, mein Leben zu ändern. Ich hatte damals einen Artikel über die gesundheitsfördernde und krankheitsabwehrende Wirkung regelmäßiger Saunabesuche gelesen. Ich entschied sofort, dass ich nun zweimal pro Woche eine Sauna aufsuchen würde, damit ich nie wieder krank würde. Ich kaufte eine Tasche, ein Saunahandtuch und ein Paar grüner Adiletten, packte das Handtuch und die Adiletten in die Tasche und stellte die Tasche in den Schrank.Dann ging ich zweimal pro Woche in die Sauna, allerdings nur eine Woche lang. In der nächsten Woche ging ich einmal dorthin. In der übernächsten Woche gar nicht. Dann nur noch ab und zu. Und nun schon seit längerem nicht mehr. Es ist nicht leicht, sein Leben zu ändern, auch wenn man die materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen hat.Die Adiletten lagen in der Tasche im Schrank in unserer Wohnung.Jeden Wochenendmorgen aber stieg ich nun, noch im Pyjama, von unserem Bauernhofzimmer hinab zu unseren Wirten, der Leni und dem Toni, um in einem Krug frische Milch für den Wochenendmorgenkaffee zu holen. Und jedes Mal schlüpfte ich dafür in ein Paar Straßenschuhe.Bis mir die Adiletten einfielen. Ich nahm sie aus der Tasche und brachte sie nach Österreich, in ein neues Leben. Zog sie morgens an und latschte nach unten.Bis sie eines Wochenendmorgens nicht mehr da waren.»Hast du meine Latschen gesehen, diese Adiletten?«, fragte ich Paola.»Ich habe sie versteckt.«»Wo?«»Unterm Schrank.«»Warum?«»Ich ertrage es nicht, sie zu sehen. Grüne Adiletten mit weißen Streifen! Fehlt bloß, dass du zum Frühstück Dosenbier trinkst und danach rülpst.«»Aber selbst Madonna trägt Adiletten.«»Orientierst du dich jetzt an Madonna, wenn du dir Kleidung kaufst?«»Ich brauche sie nur zum Milchholen.«»Bitte! Ich kaufe dir was anderes, etwas Schönes, etwas, was in ein Tiroler Bauernhaus passt.«»Giesswein-Schuhe, wie?«»Ja.«»Ich hasse sie.«So ging das hin und her. Morgen für Morgen musste ich meine Adiletten suchen, weil Paola immer neue Verstecke für sie fand. Ich überlegte bereits, für meine Adiletten und mich ein eigenes Zimmer zu mieten, da trat Paola eines Nachmittags nach dem Skifahren aus der Dusche – und was sah ich an ihren Füßen? Grüne Adiletten.»Trügen mich meine Augen?«, sagte ich.»Das ist das Schlimmste an den Dingern«, sagte sie, »dass sie auf eine unerträglich spießige Art bequem sind.«Postskriptum: »Werde ich auch eines Tages ein zweites Leben haben, in Tirol?«, fragte Bosch, mein sehr alter Kühlschrank und Freund. »Wenn ihr mich hier nicht mehr braucht...«»Wir werden dich immer hier brauchen«, sagte ich.