Das Beste aus meinem Leben

Nun steht der Fasching bevor und die Faschingsferien. Dazu eine E-Mail von Herrn S., der aus seiner Kindheit berichtet: »Meine Schwester Friedeborg kam nach Hause und berichtete ganz aufgekratzt: ›Du, Mama, Annemarie Drave geht morgen zum Kostümball.‹ Darauf unsere Mutter: ›Und als was geht sie?‹ Friedeborg: ›Als Scharlachwürstchen.‹«Hier macht S. einen Absatz. Und schreibt weiter: »Von einer Czardasfürstin hatte sie schließlich noch nie etwas gehört.«Was mich persönlich angeht, so verkleide ich mich in jedem Fasching als Skifahrer. Ich steige in einen schwarzen Overall, zwänge meine Füße in schwarze Stiefel und ziehe mir eine schwarze Mütze über die Ohren, kurz, ich sehe aus wie ein alpiner Batman. In diesem Gewand nehme ich meine Ausrüstung und eile der Familie hinterher, Paola, die in eleganten kurzen Schwüngen zu Tal swingt, und Luis, der mit Helm und Rückenpanzer wie die schnellste Schildkröte der Welt aussieht und immer schon sehr lange im Tal ist, wenn sein schwarzer Vater noch mit brennenden Schenkeln auf dem Hang hängt.Jemand wie ich sollte nicht Ski fahren. Einmal bin ich gestürzt, habe mir eine Zerrung zugezogen und bekam vom Arzt ein Naturheilmittel namens Retterspitz. Das verdünnt man mit Wasser, tränkt einen Verband darin und schlägt mit diesem das Knie ein. So tat ich es, benutzte im Hotel zum Verdünnen ein Glas, das ich im Bad stehen ließ. Als ich nachts Durst hatte, ließ ich im Dunkeln Wasser in dieses Glas laufen, trank gierig – und lag eine Stunde wartend im Bett, auf meinen vorzeitigen Tod wegen einer Retterspitz-Vergiftung wartend. Dann schlief ich ein.Nein, ich sollte nicht Ski fahren. Ich tue es nur, weil Fasching ist und ich meine Familie liebe. Ich kann sie nicht allein lassen in der Bergwelt, und wenn sie beschlösse, das Wüs-tenwandern zu ihrem Hobby zu machen, würde ich eben mit ihr wüstenwandern. Aber abends bete ich für die Klimakatastrophe, die aus Skigebieten Palmenhaine machen wird.»Wusstest du, dass es in hundert Jahren bei uns keinen Winter mehr geben wird?«, frage ich Paola, bevor wir zum Skifahren aufbrechen.»Du gehst mir auf die Nerven«, sagt sie, während sie ihre Skibrille sucht.»Findest du es nicht sinnlos, dass wir unserem Sohn eine Sportart beibringen, die er vielleicht in dreißig Jahren nur mit äußerster Mühe irgendwo wird ausüben können?«»Nein.«»Und wieso nicht?«Sie hat ihre Skibrille gefunden und geht zur Tür.»Und wieso nicht??!!«, rufe ich. »Wieso nicht??!!«»Was weiß ich, was in dreißig Jahren ist! Jetzt ist herrliches Wetter, jetzt gehe ich Ski fahren. Nachher setze ich mich vor der Hütte in die Sonne und Luis kann einen Iglu bauen und in dreißig Jahren hat er eine schöne Erinnerung an Winterferien mit seinen Eltern. Es sei denn, sein Vater versaut ihm den Tag mit seinem Geunke.«So ist das. Sie lebt im Heute, ich im Morgen, und da ich Pessimist bin, ist das Morgen immer schlechter als das Heute – hmmm...Das muss ein Ende haben. Also beschließe ich, das Morgen zu vergessen und nur ans Heute zu denken, fahre Ski, genieße den Tag, sitze nachmittags auf einer abseits gelegenen Hütte, die wir oft besuchen. Wir essen Würstl, und ich denke an Scharlachwürstl und Czardasfürstl, und dann denke ich noch, dass diese Würstl hier zwar immer sehr gut schmecken, aber dass man noch morgen beim Aufstoßen ihren Geschmack spüren wird. Und was nun besser ist, denke ich: Heute diese Würstl genießen? Oder lieber doch nicht, weil morgen...Mit wem soll ich darüber reden? Mit Paola nicht! Also rede ich mit dem Wirt und sage ihm, wie schön das Wetter sei und der Schnee und seine Hütte auch. Und er sagt, alles sei sehr traurig, viel zu wenig Schnee gebe es und viel zu wenige Gäste, das sei wohl die Klimakatastrophe. Und wenn das so weitergehe! Und was er machen solle!Wahrscheinlich werde er die Hütte aufgeben, es habe einfach keinen Sinn mehr...