Das Beste aus meinem Leben

Nun haben wir Herbst, der Sommer ist am Ende. Eine Menge Leute haben mir in den vergangenen Wochen von ihren Ferien erzählt. Ferien an Stränden. Wie das Sitzen dort etwas Meditatives habe, berichteten sie, der Blick aufs immer gleiche und sich doch dauernd verändernde Meer. Das Braten in der Sonne. Das Lesen ziegeldicker Bücher. Das Sichindiewellenwerfen. Die in der Ferne (und nur dort) so freudenvolle Lektüre des Münchner Wetter-berichts im August. Kurz, also: Wie schön es am heimatfernen Strand wieder mal gewesen sei, in diesem Sommer wie in jedem Sommer. Ich selbst bin in diesem Jahr dreimal im Strandurlaub gewesen. Einmal zu Pfingsten, einmal kurz zu Beginn der Sommerferien und einmal des Längeren auch an deren Ende. Jedes Mal in Italien.Beim ersten Mal badete ich an einem Tag, an dem die Wellen hoch gingen. Als ich aus dem Wasser kam und über den Sand hinweg zu Paola und den Kindern ging, tat mir plötzlich der rechte Fuß weh. Ich legte mich aufs Handtuch, betrachtete die Fußsohle und sah eine kleine rote Stelle, die furchtbar wehtat, fast schmerzte schon der ganze Fuß. »Vielleicht bin ich im Sand in eine Biene getreten«, sagte ich. Dann fiel mir ein, dass ich gegen Bienenstiche allergisch bin. Binnen Sekunden hatte ich meinen sofortigen Tod vor Augen, es war entsetzlich.Paola stürzte sich auf meinen Fuß, betrachtete die Stelle, säuberte sie vom Sand und begann an dem roten Punkt zu saugen. Spuckte aus, saugte, spuckte, saugte.»Raus mit dem Bienengift! So muss man’s auch bei Schlangen machen«, sagte sie spuckend.»Nein, so soll man es nicht bei Schlangenbissen machen!«, rief Luis. »Das habe ich in dem Survival-Buch gelesen, das ich zu Ostern bekommen habe.«Paola saugte und spuckte aber weiter, während uns umliegende Italiener interessiert betrachteten. Ich ächzte und dachte, wie es wäre, öffentlich zu sterben, während meine Frau an meinem Fuß saugt.Plötzlich stand der Bademeister in seinem roten Salvataggio-Hemd neben uns. »Trachino«, sagte er, holte ein Feuerzeug aus der Hosentasche und hielt dessen Flamme kurz auf die rote Stelle, dann wieder weg, dann wieder drauf, dann wieder weg. Ich ächzte noch mehr, aber dann ließ der Schmerz irgendwann nach. Der Bademeister erklärte, Trachino sei ein kleiner Fisch, der Stacheln auf dem Rücken habe, von denen einige giftig seien, und in einen solchen sei ich hineingetreten. Er selbst habe mal fürchterliche Schmerzen nach so einem Ereignis gehabt, ein Zittern am ganzen Körper wie bei einem Nervengift. Was helfe, sei Hitze, auch heißes Wasser – dadurch werde das Gift zerstört. (Zu Hause las ich, Trachino heiße zu Deutsch »Petermännchen« und lebe an vielen Stränden der Welt.)In meinem nächsten Strandurlaub badete ich mit Gummischuhen. Am dritten Tag aber spürte ich am rechten Schenkel plötzlich ein Brennen, als sei ich von einer Flamme gestreift worden. Ich schleppte mich stöhnend an den Strand und sank neben meiner Frau in den Sand.»Eine Qualle«, sagte sie. »Was dir immer passiert!«Sie verzichtete darauf, an meinem Bein zu saugen, und holte stattdessen kühlende Salbe. Die Stelle tat furchtbar weh. Man sieht sie noch jetzt, nach Monaten.In meinem dritten Strandurlaub badete ich nicht. Ich ging nur mit den Füßen ins Wasser, welches ich argwöhnisch betrachtete, während es meine Fesseln umschwappte. Dann lag ich auf dem Handtuch, spielte Strandtennis mit Paola, Karten mit Luis, Sandsieben mit Sophie. Oder las.Bis ich mich dann eines Nachmittags auf den Luis stürzte, der aus dem Wasser gekommen war und sich abtrocknete. Ich wickelte ihm das Handtuch um den Kopf, brüllte was von Seeräubern und dass er sich nicht bewegen solle, sonst werde es ihm schlecht ergehen. Aber Luis bewegte sich doch, und weil er nichts sehen konnte, rammte er mir beim Herumbalgen sein Knie in die Herzgegend, sodass ich aufbrüllte und hinfiel.»Könnt ihr nicht was Ruhigeres spielen?«, fragte Paola.»Rippenbruch!«, schrie ich. »Rippenbruch!«Es war eine Rippenprellung. Tut fast mehr weh als ein Bruch und dauert lange. Auf der linken Seite konnte ich wochenlang nicht schlafen, was kein kleines Problem war, weil ich sonst immer auf der linken Seite schlafe.Ich bin total übermüdet.»Mein Strandurlaub hat mich richtig fit gemacht für den Winter«, sagen die Leute. Versteh einer die Menschen.

Illustration: Dirk Schmidt