Der Sprach-Wertstoffhof (X): Immer wieder bieten unsere Medien dem interessierten Leser Stoff zum Nachdenken, so der jungen Frau A., die in Portugal gerade ein soziales Jahr absolviert und sich dabei in Ermangelung deutscher Zeitungen via Internet über das Geschehen in der lieben Heimat informiert. Sie las auf spiegel.de während der Wärmewelle des vergangenen Winters einen folgendermaßen beginnenden Bericht: »In Fischen im Allgäu wurden 19,8 Grad Celsius gemessen…«Viele Fragen schossen fern in Portugal durch A.s Kopf: Warum misst man die Körpertemperatur von Allgäuer Fischen? Beeinflusst dieselbe am Ende unser Klima, wird also die Erdatmosphäre oder jedenfalls das Wasser möglicherweise durch fiebernde Fische aufgeheizt? Wie gehen die Forscher bei Körpertemperaturmessungen von Fischen vor? »Ja, ich stellte mir wirklich vor, wie diese Männer mit großen Gummistiefeln durch einen Fluss im Allgäu wateten, kleine Fischchen fingen und den armen Tieren winzige Fieberthermometerchen einverleibten…«Bis sie dann begriff, dass Fischen im Allgäu ein Ort ist, in dem es im Winter zu warm war, jedenfalls für die Jahreszeit. So was lässt sich ja leicht feststellen, heutzutage.Nun ist es aber nicht Sinn dieser kleinen Unterkolumne, Rätseln und Doppeldeutigkeiten der deutschen Sprache nachzuspüren, sondern an anderer Stelle nicht mehr benötigte Wörter zu sammeln, »Wortmüll« sozusagen, der aber durch ein wenig Bearbeitung anderswo vielleicht neue Verwendung finden könnte.Die »Trauerpumpe« zum Beispiel. Herr H. aus Öhringen reiste im Sommer 2005 nach Südfrankreich und entdeckte dieses schöne Wort in einem Fremdenführer. Auf Französisch hieß es pompe funèbre, was »Trauerzug« oder »Beisetzungszeremonie« bedeutet, hier aber eben mit »Trauerpumpe« übersetzt wurde. Weil H. beruflich für die Hohenloher Zeitung tätig ist, verfasste er dort eine sehr schöne Glosse, in der er sich unter Trauerpumpen »farbenfrohe Wunderwerke der Technik« vorstellte, »die Gram und Grau des Alltags aufsaugen und in die unendlichen Fernen des Weltalls pumpen. Was die Menschen nichts ahnend Milchstraße nennen, ist nichts als ein großer See abgepumpter Trauer. Noch lacht die Sonne trügerisch hell am blauen Himmel. Doch der nächste November kommt bestimmt. Wohl dem, der dann eine Trauerpumpe hat.« Herr H. aus Kissing schickt mir einen weiteren kleinen Artikel, diesmal aus der Friedberger Allgemeinen, eine Meldung, in der im Dezember 2006 über den offenbar traditionellen Lichterzug der dortigen CSU berichtet wurde, der sich vom Marxenwirt zur Burgstallkapelle bewegte. Dort gab es eine Andacht, bei der unter anderem »eine nachdenkliche und besinnliche Geschichte« vorgetragen wurde. Dann heißt es: »Die Fötengruppe intonierte zwischendurch immer wieder weihnachtliche Weisen.«Man liest das nicht ohne Stutzen. »Die Fötengruppe«: eine Unterorganisation der Jungen Union Kissing? Oder »ein Fall für den Ethikrat«, wie Herr H. anmerkt?Natürlich wird dem Leser schnell klar, dass es sich hier um die »Flötengruppe« handelt. Aber da das Wort »Fötengruppe« nun einmal in der Welt ist: Was wird man damit machen können? Ein neues Wort an Stelle des unschönen »Geburtsvorbereitungskurs«? (Eines jener überlangen Deutschwörter, die Mark Twain als »Umzüge sämtlicher Buchstaben des Alphabets« bezeichnete.) Eine Vorstufe der »Krabbelgruppe«? Eine Vereinigung jener vielen, die angesichts des skandalösen Zustands unseres Kindergartenwesens ihre Kleinen bereits vor der Geburt bei den örtlichen Krippen anmelden müssen?Schließen wir den Wertstoffhof für heute mit der Überschrift einer Meldung aus dem Grafenauer Anzeiger, die mir Frau K. zusandte: »Die Situation in den Kindergärten: Von Extra-Erlaubnis bis Sprach-Problemen. Englisch kommt an – Den Migrantenkindern muss dagegen erst richtig Deutsch gelernt werden.«
Illustration: Dirk Schmidt