Bruno, mein alter Freund, ist der Meinung, die Zeit laufe seit einer Weile langsamer, genauer gesagt: seit der Wahl Donald Trumps. Oft denke er: Ist wieder erst ein Tag vorbei? Dauert es noch Jahre, bis der Mann das Weiße Haus wieder verlassen muss? Das sei ja kaum auszuhalten, sagt er, dieses Schneckentempo!
Das sei doch aber, entgegnete ich, ein wünschenswerter Gedanke, dass die Zeit langsamer laufe, man habe dann mehr vom Leben. Vor Jahren hätte ich, sprach ich weiter, ein Buch von Alan Lightman gelesen, einem Physik-Professor in Cambridge/Massachusetts. Und immer wieder die Zeit heiße es. Lightman beschreibe darin unter anderem eine Welt, in der die Zeit auf Bergen langsamer vergehe als in Tälern. Weshalb die Menschen sich ihre Häuser oben bauten, so hoch es gehe, wenigstens auf Pfählen.
Gut und schön, sagte Bruno, aber das habe nur Sinn, wenn in der zäher vergehenden Zeit etwas Schönes geschehe. Wenn der Donald die sich dehnenden Tage nutze, um uns sein Lügenleben aufzudrängen, wäre es einem lieber, wenn man die Uhr rasch weiterdrehen könnte, damit es endlich vorbei sei mit ihm im Amt.
Das kann nicht dein Ernst sein!, rief ich, du musst dich von dieser Fixierung auf Mister T. lösen, der Mann sollte nicht dein Leben bestimmen. Du musst in deiner eigenen Zeit leben, nicht in seiner.
Bruno seufzte.
In diesem Buch übrigens, sagte ich, müssen natürlich die Leute trotzdem gelegentlich hinunter ins Tal, um dies und das zu erledigen. Aber sie versuchen möglichst schnell wieder auf die Berge zu kommen, in die langsamere Zeit, sie hasten unten herum und eilen dann hoch. Jedoch gibt es Menschen, die ziehen für längere Zeit in die Täler, schwimmen in den Seen, wenn die Sonne scheint, schlendern durch die Wälder, genießen die Leere der Ebenen. Ob die Zeit dort unten schneller vergeht als oben auf den kahlen, windigen, kalten Höhen? Es ist ihnen egal. Dort, wo sie ihre Zeit verbringen, ist es schöner.
Den Menschen auf den Bergen aber, fügte ich hinzu, geht es nicht gut. Sie haben zwar mehr Zeit, jedoch sind sie der Schönheit des Lebens und seiner Vielfalt fern. Kein Zufall, dass Trump Hochhäuser baut.
Und jetzt hat man uns auch noch eine Stunde gestohlen, bei der Zeitumstellung, ächzte Bruno, als hätte er nicht zugehört. Er habe gelesen, in einem führenden Fachblatt namens Die Zeit, dass mit der Sommerzeit die Zahl der Schlaganfälle und Herzinfarkte steige, sogar der Biorhythmus der Darmflora gerate aus dem Takt. Er spüre das seit Sonntag im Unterleib, diese verwirrt herumirrenden Mikroorganismen.
Aber es ist in deinem Sinne, sagte ich, dass dir eine Stunde genommen wurde, es wäre eh nur eine mit Donald Trump gewesen. Vielleicht ist er im Herbst nicht mehr im Amt, und du bekommst die Stunde zurück, aber ohne ihn.
America First, sagt er immer, antwortete Bruno, dabei sind sie in Washington sechs Stunden hinter uns. Er wird uns einen Tag mehr geben, damit sie überholen können. Niemals gibt der uns was. Und wir nehmen auch nichts.
Einen Feiertag schon, oder?
Eher verlangt er die ganze Zeit zurück, die wir seit der Unabhängigkeit 1776 den USA voran sind, mit Zinsen.
Wie viel ist das?
Kommt auf den Zinssatz an.
Vielleicht verdoppelt er den 20. Januar, damit mehr Platz ist für das Gedenken an seine unaussprechlich gut besuchte Inaugurationsfeier? Es gäbe dann einen 20/1. Januar und einen 20/2. Januar.
Was muss man denn nun tun, damit die USA uns in der Zeit überholen? Einen Tag streichen oder einen hinzutun?
Kommt drauf an: Wo? Hier oder drüben?
Moment …! … Du bringst einen ja total durcheinander.
Ist mir alles zu hoch.
Und zu theoretisch. Lass uns ins Wirtshaus gehen, und diesen Tag hier streichen. Dann sehen wir es ja.
Illustration: Dirk Schmidt