Kürzlich geschah etwas Seltsames: Ich hatte Mitleid mit Donald Trump. Wann war das? Als ich hörte, dass er sich stets gegen halb sieben in seine Privatgemächer zurückzieht, um, mit einem Bademantel bekleidet, fernzusehen, allein, fern von seiner Frau? (Die, ich werde das Gefühl nicht los, ihn noch weniger leiden kann als wir alle.) Oder als ich las, dass er nachts um drei seinen damals noch im Amt und um diese Zeit im Bett befindlichen Sicherheitsberater Flynn anrief, um ihn zu fragen, wie es sich noch mal genau mit dem Dollar verhalte: Sei es gut für die amerikanische Wirtschaft, wenn er schwach sei, oder sollte er besser stark sein? Flynn fragte zurück, ob es nicht besser wäre, sich bei jemandem zu erkundigen, der sich mit Wirtschaft auskenne, er sei General und wisse bloß Bescheid, wenn es um Krieg gehe, Waffen, Bomben, Flugzeugträger, understand? Und Trump legte auf, ach so, ja, Krieg, diese andere Sache, mit China, oder? Hat nicht Bannon das neulich mal erwähnt? Das mit dem Krieg?
Diese Einsamkeit. Diese Ahnungslosigkeit. Diese Überforderung. Diese kalte Welt. Selbst der Verirrteste der Verirrten muss irgendwann, in einem winzigen Lichtmoment, merken, dass dieser Bannon zwei Zimmer weiter nicht ganz sauber ist, oder? Aber was soll man machen, wenn man nicht weiß, was man machen soll?
Leute, die sich ein bisschen auskennen, haben anfangs gesagt, Trump befinde sich emotional auf dem Entwicklungsstand eines neun, maximal 13 Jahre alten Knaben. Meine aktuelle These ist nun, dass dieser kleine Junge den ganzen Kampf ums Weiße Haus anfangs als Spiel empfand, als lustige Sache, und als er in dieser lustigen Sache Erfolg hatte, riss es ihn einfach weiter hinein. Es ging so leicht, und die anderen, die mitmachten, waren solche Idioten, sie waren nicht gut, er allein war großartig, und irgendwann würde Mami sowieso kommen und zum Essen rufen, dann wäre es ja eh vorbei.
Er steigerte sich hinein in das Spiel, wie sich nur Kinder in etwas hineinsteigern können, aber Mami rief nicht zum Essen, und plötzlich (und für ihn doch irgendwie unerwartet) war er da, wo er eigentlich gar nicht hinwollte, weil es dort nämlich kein Spiel mehr ist, sondern Ernst und Arbeit und richtiges Leben. Aber das wusste er nicht, weil Söhnchen nämlich nicht wusste, dass es so etwas wie den Ernst des Lebens wirklich gibt.
Ja, stellen wir uns einfach vor, ein Junge spielt so ein Spiel, Kampf um den Königsthron, und durch eine Lücke im Raum-Zeit-Kontinuum oder irgendeinen Fehler im System sitzt er auf einmal wirklich auf einem Thron und ist König und kann nicht mehr zurück ins Spiel. Little Donald, das verlorene Kind, muss regieren. Er ruft nachts Leute an. Irrt im Königsbademantel umher. Beschwert sich, die Handtücher in der Air Force One seien nicht flauschig genug. Hat fünf Köche rund um die Uhr zur Verfügung, isst aber nur Burger und Chips. Er zeichnet Dekrete ab, ohne zu wissen, was drinsteht, Hauptsache, es gibt ein Foto davon, das er dann angucken kann. Und nichts, was man ihm vorlegt, darf länger als eine Seite sein, keinesfalls mehr als neun Gliederungspunkte haben, und wehe, es sind keine Zeichnungen und Karten dabei! Am liebsten keine Buchstaben. Zahlen auch nicht. Am besten gar nichts. Oder was zum Knabbern.
Na ja, jetzt habe ich mich da selbst hineingesteigert, nicht wahr? Aber es hilft im Leben sehr, wenn man hinter jedem Großmaul das arme Würstchen erkennt und unter einem orangegefärbten Gesicht die aschfahle Haut des Überforderten sieht. Haben Sie gesehen, wie er Hände schüttelt? Die Leute sagen, das sei übergriffig und aggressiv. Ich sage, es bedeutet: Lass mich nicht allein! Nimm mich mit! Spürst du nicht meine Hände, wie klein sie sind?! Ich bin doch erst neun. Oder 13. Das darf alles nicht wahr sein. Ich bin ein Kind, hol mich hier raus!
Das dauert keine vier Jahre, sicher nicht. Nie im Leben! Irgendwas wird vorher passieren.
Illustration: Dirk Schmidt