Wut gibt es in verschiedensten Erscheinungsformen. Eine davon ist die des vor sich hin köchelnden, beständig simmernden Grimms. Der fällt einem an den Leuten oft nicht richtig auf, jedenfalls nicht bis zu dem Tag, an dem sie den Wut-Regulator doch mal auf volle Kraft drehen. Dann geschieht, was – wie ich dem Internetmagazin Justillon entnahm – nun zu einem Urteil des Amtsgerichts Bautzen führte: Eine 71-jährige Frau wurde zu acht Monaten Haft mit Bewährung verdonnert. Sie hatte Pappe und leere Mehlsäcke im Anbau einer ihrem Grundstück benachbarten Bäckerei angezündet, Sachschaden 4600 Euro. Warum tat sie das? Die Unordnung in dem Geschäft habe sie »rasend« gemacht, gab die Frau an, an diesem Abend sei »das Fass wohl übergelaufen«, 1,2 Promille taten das Ihre.
Man fragt sich: Und wenn der Bäckerladen ein superordentliches Geschäft gewesen wäre, mit sorgsam geglätteten, auf die Entsorgung wartenden leeren Mehlsäcken? Hätte es dann die Wut der Seniorin gar nicht gegeben? Oder hätte dieser Zorn, weil nun einmal aus ganz anderen, mir und möglicherweise auch der alten Dame selbst nicht bekannten Gründen vorhanden, sich nur ein neues Ziel suchen müssen? Mein Vater fällt mir ein, der, weil er im Alter nichts mehr zu tun hatte, seine Zeit damit vertat, sich über einen beständig die Parkplatzordnung missachtenden Mitbewohner seiner Wohnanlage tagaus, tagein so zu ärgern, dass es ihm die Seele zerfraß.
Wer sich für die Wutvorräte unserer Gesellschaft interessiert, tut gut daran, einen Blick in die Kommentarspalten verschiedenster Internetseiten zu werfen. Auf einem solchen Streifzug geriet ich auf aktienboard.com, wo sich einige Leute mit Sinn und Unsinn des Erwerbs von Silber in diesen Zeiten beschäftigten. Natürlich waren wieder die Politiker an irgendetwas schuld – an was? Habe ich vergessen. Ein Diskutant schrieb: »Wer weiß auf welche Schweinereihen unsere Politiker noch kommen.« Wenig später las ich auf Spiegel online einen Kommentar, in dem jemand konstatierte, es seien »wieder einige geheime Schweinereihen in die Öffentlichkeit geraten«. Auch auf motor-talk.de ist von Schweinereihen die Rede, es ging um Autoteile, die nicht gut funktionierten. Selbst auf der Website der Stadt Kelsterbach wird der Erziehungsberater Jan Uwe Rogge zitiert, der vom »Land der Schweinereihen und Verbote« gesprochen habe. Ist es nicht seltsam, dass Menschen so oft wütend sind über Schweinereihen? Mir persönlich ist das Phänomen der Schweinereihe gar nicht bekannt gewesen, um so mehr erstaunt mich, dass es viele Bürger erbost. Ich habe schon viele Schweine gesehen, sie standen nie in einer Reihe, auch nicht im Kreis oder Quadrat. Vermutlich ordnet man die Schweine im Schlachthof zu einer Reihe, wenn sie dem Tod entgegengehen; darüber könnte man sich empören, wenn man Schweine liebt; selbst den einen oder anderen Schweinshaxenfreund grämt das wohl in stillen Momenten. Ansonsten stehen Schweine eher irgendwie herum, glaube ich. Noch lieber liegen sie, selten zur Reihe geordnet. Man hört bisweilen vom Schweinesystem. Aber im Grunde scheint das Systematische dem Schweine fremd. Das ist mein Eindruck als Laie.
Nebenbei entdeckte ich bei der Suche nach Bäckerreihen und Metzgerreihen, dass es in 94107 Untergriesbach eine Straße namens Bäckerreihe gibt, und dass der österreichische Schriftsteller Thomas Raab eine Metzger-Reihe genannte Serie von Krimis über einen Restaurator namens Willibald Adrian Metzger geschrieben hat. Wenig ist im Internet von Betrügerreihen die Rede, dabei gibt es in der Welt doch wirklich reihenweise Betrüger. Aber Schweinereihen regen die Leute auf, geheime Schweinereihen, ist es nicht seltsam?
Illustration: Dirk Schmidt