SZ-Magazin: Kinder und Sexualität, das passt erstmal nicht zusammen. Sie plädieren trotzdem dafür, auch schon Kleinkinder altersgerecht aufzuklären. Wieso?
Christiane Kolb: Viele denken beim Stichwort Sexualität an die erwachsene Sexualität und an Geschlechtsverkehr. Das hat zu Recht mit Kindern nichts zu tun. Trotzdem sollte man sich bewusst machen, dass die erwachsene Sexualität sich aus unserer Beziehungsgeschichte, unserer Körpergeschichte, der Geschichte unserer Bedürfnisse und der Geschichte im Geschlecht speist, wie es der berühmte Sexualwissenschaftler Gunter Schmidt mal gesagt hat. Das heißt, wie Kinder geliebt werden, wie viel Nähe und Sicherheit wir ihnen als Eltern bieten, welche Empfindungen und Bedürfnisse wir ihnen zugestehen und wie respektvoll wir als Mutter oder Vater beim Waschen oder Wickeln mit den Genitalien unserer Kinder umgehen, hat Auswirkungen auf ihre spätere erwachsene Sexualität. Deshalb macht es Sinn, sich als Eltern mit diesen Themen frühzeitig auseinandersetzen. Und das bedeutet auch: Dem Kind die Chance geben, mit Neugierde den eigenen Körper und die Welt um sich herum zu entdecken. Aufklärung heißt eben nicht nur »Sex erklären«, sondern auch schon kleinere Kinder im Umgang mit ihrem eigenen Körper und all den Fragen, die sich daraus ergeben, liebevoll zu begleiten.
»Kinder brauchen eine Sprache für ihren Körper«
Sexuelle Aufklärung stellt Eltern und andere Bezugspersonen vor eine Herausforderung: Wann ist der beste Zeitpunkt? Was sind die geeigneten Worte? Im Interview erklärt die Sexualwissenschaftlerin Christiane Kolb, was man beachten sollte – und was Kinder vor Übergriffen schützt.