Schiefgewickelt

Eigentlich sind Windeln reine Gebrauchsgegenstände. Jetzt gibt es sie in Jeans- und Camouflage-Design. Muss das sein?


Nun gibt es auch farbige Windeln
in den USA. Stellt sich die Frage: Wird es auch beim Inhalt mal Neuerungen geben?

Das Paket sah vielversprechend aus, so groß wie ein Bierkasten, beklebt mit Air-Mail-Stickern. Der Absender: Green-O’Donnell, Goldens Bridge, New York. Die Familie, bei der ich vor 17 Jahren als Au-pair gearbeitet habe, gratulierte mir zur Geburt meines Sohnes und schickte ein Paket Windeln. Nicht etwa schnöde weiße, mit drolligen Fröschen oder putzigen Lämmern am Bund, nein, Windeln im Jeans-Look mit simulierten Gesäßtaschen. In der richtigen Annahme, dass es diese bei uns nicht gibt. Die »Denim Diapers« seien »the hottest babygear«, der Werbespot »funny as hell« und mein Bruno sehe darin sicherlich »too cute to be true« aus. Ich schüttelte amüsiert den Kopf, legte das Paket in die unterste Schublade meiner Wickelkommode und zog meinem Sohn ein herkömmliches Exemplar an. Obwohl ich den niedlichen Tieren genauso wenig Beachtung schenke wie aufgedruckten Unterwasserwelten auf Küchenrollen. Die Mütter in meinem Kreuzberger Babymassagekurs favorisieren biologisch abbaubare Ökowindeln, und ich war mir sicher, dass ich mich mit modischen Einweghöschen ins soziale Nirwana schießen würde.

Da in den USA die Geburtenrate kontinuierlich zurückgeht und damit auch der Windelabsatz, kämpfen die Hersteller der beiden größten Windelmarken Pampers (Procter & Gamble) und Huggies (Kimberly-Clark) mit Designerwindeln um potenzielle Kunden. Im Durchschnitt benutzt ein Kind 2000 Windeln, bevor es sich auf die Toilette setzt. Also brachte Huggies 2010 die »Little Movers« im Jeans-Look auf den Markt. Unterstützt von dem Werbefilm I’ve Got Chic in My Pants, der bei You-Tube mehr als eine Million Mal aufgerufen wurde. Ein kleiner Junge läuft in Jeanswindeln und weißem Hemd über eine italienische Piazza, unterlegt mit Elektrobeats und verfolgt von hyperventilierenden Frauenblicken, am Ende steigt er in ein schwarzes Cabriolet. Eine Stimme aus dem Off sagt den irrsinnig bescheuerten Satz: »I poo in blue.« Ob man will oder nicht: Der Film ist komisch. Das Kerlchen in den Jeanswindeln wahnsinnig süß, und die politisch unkorrekten, dafür aber unifarbenen Designerwindeln sprechen direkt die Eltern an.

Pampers antwortete mit einer Limited Edition der Modedesignerin Cynthia Rowley: Paisleymuster, Karos, bunte Streifen. Die Amerikanerin entwirft auch Designerpflaster, Hammer und Handtücher und saß schon bei Heidi Klums Project Runway in der Jury. Die Edelwindeln kosten vierzig Prozent mehr als herkömmliche Windeln und sind auf ihre Art ein ähnliches Besserverdiener-Statement wie der »Bugaboo«, die Ralph- Lauren-Babyjeans oder Miniturnschuhe von Nike. Wobei auf Minigrößen geschrumpfte Erwachsenenkleidung noch viel überflüssiger ist als teure Designerwindeln. Frisch geschlüpften Babys ist es sowieso egal, wie ihre Windeln aussehen, sie müssen bequem sein und dicht halten. Selbst wenn sie älter sind, amüsieren sie sich nicht über die putzigen, kindgerechten Aufdrucke. Warum auch? Windeln sind für Kinder ein nerviges Übel, mit dem sie sich so wenig wie möglich beschäftigen. Oder haben Sie tatsächlich schon mal versucht, Ihr Kind mit den Windelbildern zu bespaßen?

Genau aus diesem Grund ist es schlau, die Eltern direkt anzusprechen. Allerdings braucht es dazu keine Designer, die mit mehrheitstauglichen Stilvorlagen (Paisleymuster, Jeans etc.) den Preis in die Höhe treiben, sondern einfach mal eine ästhetische Revolution im Windellabor. Echte Lebenshilfe also, nicht Dekor oder Gimmick. Statt knuffige Entchen beispielsweise einfach Kinderreime, die man beim Wickeln prima auswendig lernen könnte. Oder eine Urlaubsedition »Bambini« – bedruckt mit den italienischen Redewendungen, die man im Urlaub mit Kind an der Riviera braucht. Vielleicht sogar der neue Comic von Art Spiegelman? Er hätte sicher nichts dagegen, es wäre die ideale Cross-Promotion. Stinken tun sie natürlich trotzdem. Was aber nicht weiter schlimm ist, man wäre ja wenigstens abgelenkt.

Fotos: Tanja Kernweiss, Pola Plunder / photocase.com