Lesen nach dem Tod

Zu ihren Lebzeiten sagte die Mutter unseres Autors oft, eines Tages könne er ihre Tagebücher lesen. Seit sie vor drei Jahren starb, fragt er sich nun: Soll er? Oder lieber doch nicht?

500 Seiten Tagebuch, verteilt auf drei Bände: Was schrieb die Mutter unseres Autors in all den Jahren hinein?

Als meine Mutter starb, hinterließ sie uns Geld für ihre Beerdigung und drei Tagebücher. Das war alles, was sie ausdrücklich als ihren Nachlass ansah. Alles, was sie sonst besaß, war ihr egal, ihre Bibliothek, Möbel und andere Gegenstände hatten für sie keine sentimentale Bedeutung, sie schmiss Sachen weg, seit wir sie kannten. Ausmisten nannte sie das.

Wir hoben trotzdem jeweils noch ein weiteres Erinnerungsstück auf, außer den Tagebüchern. Meine Nichte behielt einen gravierten silbernen Fingerhut der Großmutter meiner