SZ-Magazin: Herr Beigbeder, Sie haben vor Jahren das berühmteste Buch über die Werbebranche geschrieben und daraufhin Ihren Job bei Young & Rubicam verloren. Wie sehen Sie die Branche heute?
Frédéric Beigbeder: In den Neunzigern war alles ein Riesenspaß. Heute ist Werbung eine unfassbar öde Angelegenheit.
Haben Sie noch Kontakt zu Werbern?
Ja, und die sagen alle, sie fühlen sich, als würden sie in einer Bank arbeiten. Humor ist verboten. Wer heute in der Werbung arbeitet, kriegt sein Gehalt als Schmerzensgeld.
Warum hat sich der Beruf so verändert?
Weil irgendwann jeder kapiert hatte, dass alles eine große Lüge ist! Warum sollten die Leute da draußen der Werbung vertrauen? Und warum sollte der Unternehmer dem Werber vertrauen? Werbung ist ein einziger Irrtum.
Aber wenn sie gut ist, kann sie wenigstens unterhalten.
Ach was, Werbung heute ist laaaangweilig. Und es wird immer schlimmer.
Es gab Zeiten, da waren Werber die Coolsten von allen: riesige Etats, große Kampagnen, alle Freiheiten …
Hey, wir haben übertrieben, wo es nur ging! Das Tollste war mal ein TV-Spot für Barilla, die Nudelmarke. Wir haben gesagt: Wir brauchen Gérard Depardieu! Wir brauchen David Lynch als Regisseur! Wir müssen auf der Piazza Navona in Rom drehen! Also wurde der Platz tagelang gesperrt. Depardieu war jeden Tag schon morgens besoffen und hat keine Nudel mehr erkannt. Wir alle waren ständig besoffen. Lynch hat sich nicht groß um irgendwas gekümmert. Das Ganze hat drei Millionen Euro gekostet! Für dreißig Sekunden Unsinn.
Hatten Sie je den Eindruck, das Ganze könnte irgendwann zu Ende sein? Ja, in Cannes beim Werbefestival. Wir haben immer gefeiert wie die Verrückten und alle Getränke auf die Hotelrechnung unseres Kreativdirektors setzen lassen. Ich hatte mal an einem Abend allein eine Rechnung über 10 000 Franc. Und dann, ein Jahr später, kam er morgens plötzlich auf mich zu und mein- te: Könntest du das bitte sein lassen? Da wusste ich, jetzt ist bald Schluss mit dem Spaß.
Wenn heute ein junger kreativer Kerl in die Werbung gehen wollte, was würden Sie ihm raten?
Ich würde ihm sagen: Lies mein Buch. Denk nach. Und dann mach was anderes. Aber wenn du wirklich verdammt noch mal in die Werbung willst - dann gewöhn dich daran, für den Mülleimer zu arbeiten. Der Kunde wird immer deine besten Ideen in den Müll schmeißen. Trink einen Schluck, und sag dir selbst: Der Müll ist mein Auftraggeber.
Der Auftraggeber hat Sie eine Zeit lang gut versorgt.
Ja, aber ich weiß nicht, ob es das wert war. Na ja, ich habe mir ein kleines Häuschen in Biarritz am Meer gekauft. Jetzt gleich, nach diesem Gespräch, mache ich mir eine Flasche Wein auf und setz mich in den Sand.
Actionpress