Warum in jedem von uns ein Wikinger steckt

Ihnen wird ganz komisch beim Gedanken daran, Blut zu trinken? Das könnte auch daran liegen, dass wir den Lebenssaft weitgehend aus unserer Wahrnehmung verbannt haben. Dabei fließt er in uns und überall um uns herum. 

Foto: Maurizio Di Iorio

Blut – ein Getränk? Wenn Sie das nicht irritiert, sind Sie entweder ein Vampir, verwenden zu harte Inter­dentalbürsten oder gehören zu den Menschen, die am Renfield-Syndrom leiden, einer psychischen Störung, bei der Betroffene so genüsslich Blut trinken wie Sie ein Glas Weißwein auf der Terrasse.

Wenn Sie bei der Vorstellung aber Unwohlsein, vielleicht sogar Ekel empfinden, habe ich einen Rat für Sie: Schauen Sie auf keinen Fall die Fernsehserie Vikings. Bleiben Sie bei Notruf Hafenkante oder Oliver Welke. In Vikings fließt mehr Blut als in allen Tarantino-Filmen zusammen. Das Gesicht des unverschämt blauäugigen Wikingerkönigs Ragnar Lodbrok ist nur in wenigen Szenen nicht blutüberströmt, ­ verschmiert, verkrustet, überhaupt wird ständig Blut getrunken, mal aus der frisch aufgeschlitzten Kehle einer Ziege, dann wieder aus der einer Kuh oder – an besonderen Feiertagen – eines Menschen. Wenn es darum ging, Odin ein Opfer darzubringen, waren die Wikinger eher nicht zimperlich. Und wenn sie dann einer nach dem anderen die hölzerne Opferschale an die Lippen setzen, wenn sich das Blut in den zotteligen Bärten verfängt und zäh wie Honig auf Fellgewänder tropft, kann man manchmal kaum mehr hinschauen, weil es im eigenen Mund auf einmal so metallisch schmeckt.