»Wir haben unseren Platz auf diesem Planeten verspielt«


Der Fotoreporter Sebastião Salgado hat im Lauf seiner Karriere unendliches Leid gesehen. Im Interview verrät er, wie ihn der Ekel vor der Bestialität des Menschen ergriff, was seine Seele geheilt hat und warum man sein riesiges Werk leicht auf zehn Fotos reduzieren könnte.

Mit Anfang 20 musste Salgado entscheiden, ob er in den Untergrundkampf gegen die brasilianische Militärjunta zieht. Er emigrierte und machte Karriere in der Finanzwirtschaft. Mit 26 brachte er sich das Fotografieren bei.

SZ-Magazin: 1994 haben Sie neun Monate lang den Genozid in Ruanda fotografiert. 900 000 Menschen starben, bis zu 500 000 Mädchen und Frauen wurden vergewaltigt, mehr als zwei ­Millionen Menschen flüchteten in Nachbarländer. Nach Ihrer Rückkehr er­klärten Sie, nie wieder Fotos machen zu wollen. Aus welchem Grund?
Sebastião Salgado:
Diese neun Monate im Herzen der Finsternis waren die schmerzvollste Zeit meines Lebens. Wenn ich Bilder zur Veröffentlichung auswählen sollte, kam ich nicht voran, weil ich immer wieder weinen musste. In diesen Momenten durchlebte ich das Fotografierte noch einmal in größter Verdichtung. Ich wurde lebensbedrohlich krank, weil mein Immunsystem nicht mehr funktionierte. Es begann mit Infektionen und Hautausschlägen und endete mit meinem völligen Zusammenbruch. Ich hatte den Glauben an den Menschen verloren. Eine so gewalttätige und bösartige Spezies verdiente es nicht zu leben.