Niemand, nicht einmal Anita Hill selbst, kann sagen, was aus ihr geworden wäre, hätte sie nicht die Entscheidung getroffen, im Jahr 1991 Bedenken gegen einen Mann zu äußern, der zum Richter an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten berufen werden sollte. So aber wurde aus ihr eine Kämpferin, so steht es auch im Untertitel ihres neuen Buches Believing – Our Thirty-Year Journey to End Gender Violence. Der Name Anita Hill und der Kampf gegen sexuelle Belästigung sind praktisch Synonyme geworden – nach der Anhörung damals kamen Frauen überhaupt erst auf die Idee, über ihre vielfältigen und zum Teil brutalen Erfahrungen mit sexueller Belästigung, vor allem am Arbeitsplatz, zu sprechen. Unser Interview findet per Zoom statt, Anita Hill sitzt am Esstisch in ihrem Haus in Massachusetts, wo sie mit ihrem langjährigen Lebensgefährten wohnt. Ihre Stimme ist angenehm laut und weich zugleich.
»Ich begriff, dass mein Geschlecht und meine Hautfarbe immer mein Thema sein würden«
Mit Anfang 30 beschuldigte die US-Juristin Anita Hill ihren früheren Vorgesetzten der sexuellen Nötigung. Er wurde trotzdem Richter am Supreme Court, sie wurde der Falschaussage bezichtigt – und zur Heldin vieler Frauen.