Es gibt ja nur zwei, drei Tage im Jahr, die warm genug sind; dann, wenn Luft und Boden sich endlich richtig aufgeheizt haben. Es braucht dann zwei heiße, wolkenlose Tage hintereinander. 30 Grad reichen nicht, es müssen 32 sein, besser 33. Und dann der Regen. Wichtig: Er muss plötzlich kommen. Ein Picknick im Sommerregen kann man nicht lange im Voraus planen.
Vielleicht ist Picknick auch zu viel gesagt. Denn das, was man bei Sonnenschein zum Picknicken mitnimmt, stört im Regen. Wolldecken und Strohkörbe saugen sich mit Wasser voll und gehen kaputt, Brot und Kuchen schmecken nach wenigen Sekunden eklig. Alles schon ausprobiert. Also lieber das mitnehmen, was auch nass lecker ist: Obst, das man nicht klein schneiden muss, Trauben, Erdbeeren, Nüsse, alle Arten von Schokoriegeln, oder ein Glas Fruchtjoghurt. Statt einer Decke habe ich eine alte Zeitung dabei: doppelt gefaltet die ideale Unterlage auf einer nassen Wiese. Das Handy kommt in einen Gefrierbeutel. Keine Hemden und Stoffhosen tragen, die kleben an der Haut – besser sind T-Shirts und Jeans. Auch Socken stören. Die wichtigste Regel lautet: Immer in Laufweite der Wohnung bleiben. Fahren Sie nur eine einzige Station triefend nass mit der S-Bahn, und Sie wissen, warum.
Kurz bevor der Regen anfängt, bricht in einem Park Hektik aus: Decken werden grob zusammengefaltet, Kinder herbeigeschrien, Geschirr wird in Körbe geworfen, Zeitungen flattern im Gewitterwind. Alle sind in Eile, und mittendrin ein Einziger, der fröhlich sitzen bleibt und grinst: ich. Ein tolles Gefühl. In den Sekunden vor dem Regen verändert sich fast alles an einem Park: mattere Farben, gedämpftes Licht. Der Wind schluckt die Geräusche und bringt den Geruch von Regen, noch bevor die ersten Tropfen fallen. In Rainer Maria Rilkes Gedicht Vor dem Sommerregen heißt es: »Auf einmal ist aus allem Grün im Park / man weiß nicht was, ein Etwas, fortgenommen«. Ich glaube, es ist der Alltag, der fehlt. Die Normalität.
Wenn es dann losgeht, wird die Luft sofort um angenehme fünf Grad kühler. Die Tropfen auf der Haut fühlen sich erst kalt an, nach ein paar Minuten dann lauwarm. Passanten, die mit Regenhäuten und Schirmen vorbeihasten, schauen mich an, als sei ich übergeschnappt. Auch das mag ich. Mit viel Glück dringen ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolken und treffen im richtigen Winkel auf die Regentropfen. Das ist die größte Belohnung: ein Regenbogen, den aus dieser Perspektive kein Mensch sieht außer mir. Nach ungefähr 20 Minuten gehe ich. Und für ein paar Augenblicke ist der Park verwaist: Der Übergeschnappte, also ich, schon wieder weg, die anderen noch nicht wieder da. Wahrscheinlich ist eine Wiese in genau diesen Momenten am schönsten.
Illustration: Damien Florébert Cuypers