Ein Lob des Eskapismus in finsteren Zeiten

Das Leben in der ­Pandemie ist von Angst, Beschränkungen und schlechten Nachrichten geprägt. Warum es ein Akt der Notwehr ist, sich von der Realität abzukoppeln.

Spiegel der Seele: Vor der Realität zu flüchten heißt manchmal auch, sich selbst wiederzufinden.

Foto: Blaise Cepis 

Irgendwann war ich bei Sucherfernrohren angekommen. Das sind kleine Fernrohre, die man auf große Fernrohre montiert, um Objekte am Nachthimmel besser zu finden. Genau genommen suchte ich im Internet nach einer ¼ Zoll Innensechskant-Zylinderkopfschraube samt passendem Sucherschuh für das Gewinde meines russischen Maksutov-Teleskops.

Technische Spitzfindigkeiten dieser Art hätten mich früher abgeschreckt. In der Pandemie wecken sie den Pedanten in mir. Das Teleskop steht auch erst seit Kurzem wieder auf dem Balkon. Die Nachbarn schauen schon. Davor hatte es im Keller statt Licht jahrelang nur Staub gesammelt. Im Herbst zählte ich dann die Jupitermonde (vier), sah zum ersten Mal die Ringe des Saturns, winzig klein, aber deutlich, und freute mich wie ein Kind. Seitdem stehle ich mich immer mal wieder weg, zoome mich auf den Mond und lasse den Blick über das dunkle Mare Tranquillitatis schweifen, das nicht umsonst so heißt: Meer der Ruhe.