Fast ein Held

Das Ende eines absurden Spektakels: Harry darf nicht in den Irak. Was wird jetzt aus dem Prinzen, der die Chance seines Lebens verpasst hat?

Vielleicht würde es genügen, wenn er sich einfach mal beim Fußball prügeln könnte. Angenommen, Harry wäre ein Arbeitersohn aus London. Er säße abends mit Freunden im Pub, am Wochenende würde er sich im Stadion heiser grölen, wenn Chelsea gegen Arsenal spielt. Nach dem Spiel würde Harry es auf eine kleine Rauferei ankommen lassen. Und am nächsten Tag säße er wieder im Pub, stolz und mit blauem Auge.

Wahrscheinlich hätte er nichts gegen so ein Leben. Gut möglich, dass in ihm ein gewöhnlicher Raufbold steckt, der genug hat von dem ganzen Monarchie-Quatsch und da hin will, wo die Action ist. In einem BBC-Interview freute sich Harry zu Beginn seiner Militärzeit, »dass ich da normal behandelt werde, dass ich an Operationen als normaler Soldat teilnehmen kann«. Aber er ist kein normaler 22-Jähriger. Er ist Henry Charles Albert David Mountbatten-Windsor, Enkel der Queen, Sohn von Prinz Charles, Dritter der britischen Thronfolge. Ein Hooligan, den sie nicht in das Stadion lassen, auf das er sich so gefreut hat.

Jetzt darf er also nicht in den Irak. Dieses Wochenende hätte er im Flugzeug sitzen sollen, aber kurz vor Abflug hat das Militär endlich erkannt: Geht nicht. Zu gefährlich. Was hätte er denn auch da unten verloren, der Prinz der peinlichen Auftritte? Der Partys mit Hakenkreuzbinde besucht, besoffen aus Clubs torkelt, der Kette raucht, mit einer etwas vulgären Millionärstochter zusammen ist und mit Reportern aneinandergerät. Wenige Wochen ist es erst her, Harry feierte schon mal seinen Abschied, dann zeigten Fotos, wie er sternhagelvoll auf einen Reporter zustürzt. Ein Sprecher des Prinzen sagte, Harry sei nur »über einen Bordstein gestolpert«. Und dann wollte er eben gleich nach Basra weiterstolpern.

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Das wäre nicht gut gegangen. Letzten Sommer versuchte der Prinz auf einer Party, Zitronen für einen Gin Tonic zu schneiden. Dabei schnitt er sich so heftig in den Finger, dass ein Leibwächter ihn zum Notarzt bringen musste. Nur ein Küchenunfall, aber die Frage muss erlaubt sein: Ein Kerl, der schon nach dem Obstschneiden einen Arzt braucht – was hätte der in der Wüste mit einem geladenen Maschinengewehr gemacht?

Und das Risiko einer Entführung war einfach zu groß. Das britische Militär nannte ihn die »Mutter aller Angriffsziele«. Der Rebell Abu Zaid verkündete: »Er wird zu seiner Großmutter zurückkehren, aber ohne Ohren.« Professor Christopher Daase, Experte für Sicherheitspolitik an der Münchner Universität, erklärt: »Regierungen sind bereit, für Geiseln hohe finanzielle und politische Opfer zu bringen. Bei einer so hochrangigen Geisel wäre es aber komplizierter geworden. Der Staat wäre mit Sicherheit bereit, auch den höchsten Preis zu bezahlen – und das hätte die Diskussion über die Erpressbarkeit von Staaten erschwert.«

Also wurde diskutiert, Harry eine eigene Schutztruppe zur Seite zu stellen, die laut Sunday Times »in einem Extra-Fahrzeug mit den Truppen mitreisen« muss. Das wäre dann die Erfindung des embedded soldier gewesen. So wie die US-Armee versucht, Journalisten in ihre Strukturen einzubetten, um die Kontrolle zu behalten, planten die Briten den komplett gesicherten Einsatz eines Soldaten. Der Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert hatte prognostiziert, es werde wohl ein eigener Offizier zum Schutz des Prinzen abgestellt, der müsse »sich im Ernstfall in kugelsicherer Weste vor ihn werfen«. Was wäre das für ein absurdes Theater geworden? Der Prinz auf Erkundungstour in der Wüste, und links und rechts schleichen Personenschützer mit? Und dahinter gleich noch ein paar Paparazzi?

In England tobt jetzt die Diskussion: Hält das Militär Harrys Leben für wertvoller als das seiner Kameraden? Warum nicht gleiche Pflichten für alle? Dabei war Harrys Rolle als Soldat immer lächerlich. Das zeigt noch ein anderes Beispiel: Vor Kurzem hat das Militär beschlossen, er müsse wegen seines Alkoholkonsums »eine kräftige Standpauke« bekommen – »in enger Absprache mit den Personenschützern des Prinzen«. Vermutlich sind die Personenschützer auch zuständig, falls der Prinz in der Kaserne in eine Kissenschlacht gerät.

Sie können ihn nicht behandeln wie die anderen. Er ist das Nesthäkchen der Monarchie. Dabei würde er genau die Rolle gern loswerden. Die Frage ist ja: Wie fühlt sich so ein B-Prinz? Er als Jüngster hat keine richtige Aufgabe. Für die Öffentlichkeit bleibt er immer der Kleine. Einen Ausweg schien der Elvis-Effekt zu bieten: Der King hat 1958 ganz Amerika begeistert, indem er eine Sonderbehandlung verweigerte und den regulären Dienst bei der Army antrat. In Harrys Familie ist das Vorbild Charles’ jüngerer Bruder: Prinz Andrew war 1982 in der gleichen Situation, sein Bruder war der Thronfolger, er selbst nur der mit dem wilden Privatleben. Dann flog er als Helikopterpilot im Falklandkrieg ein paar gewagte Manöver – und kehrte als Held zurück.

So hat sich Harry das auch vorgestellt. Aber je mehr er auf »Normalität« drängte, umso mehr überdrehte er seine Rolle, er steckte fest wie ein Auto im Schlamm. Hier die Brutalität des Irakkriegs – da die Lächerlichkeit des Partyprinzen: Dieser Gegensatz war der Grund für viel ungläubiges Lachen über die Operation Harry. Es gibt eine alte Definition des Witzes, nach der Komik auf der Diskrepanz zwischen Erwartung und Ergebnis beruht. Man erwartete, dass die Briten ihre Arbeit im Irak mit blutigem Ernst verrichten. Aber dann wollten sie eine Comicfigur mittenrein schicken. Fragwürdig. Und Harrys Kameraden kauften sich auch noch rote Perücken, »um den Gegner abzulenken«, es ging zu wie auf einer Abiturfahrt.

Harry hat getönt, »ich kann nicht zu Hause auf meinem Arsch sitzen, während meine Jungs für ihr Land kämpfen«. Stammt der Satz eigentlich aus einem Actionfilm? Klingt so. Aber jetzt muss er auf seinem Arsch sitzen bleiben (falls sie ihn nicht gnadenhalber nach Darfur schicken). Der Rollenwechsel ist erst mal auf unbestimmt verschoben.

Ach, wäre Harry doch nur ein Arbeitersohn aus London, der sich ab und zu beim Fußball prügelt. Dann dürfte er einfach sagen: Ich kann nicht zu Hause auf meinem Arsch sitzen, während meine Jungs für ihren Verein kämpfen.