»Ich mache einer Arbeitskollegin ein- bis zweimal im Jahr kleine Geschenke, etwa zum Geburtstag, und sie schenkt mir zu gegebenem Anlass auch etwas. Es zeigte sich bisher, dass sie mir immer Dinge als Geschenk überließ, die bereits benutzt waren. Dies fand ich etwas irritierend, aber nicht weiter bedenkenswert. Zu meinem letzten Geburtstag allerdings erhielt ich ein kleines, sichtbar gelesenes Büchlein, welches ich ihr Anfang des Jahres neu zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte. Dies hat mich dann doch etwas verletzt. Meine Familie allerdings ist der Meinung, dass ich mich eher darüber freuen soll, dass die Kollegin überhaupt an mich denkt und mir Geschenke macht.«
Anonym, per Mail
Wissen Sie, was mich an dieser Geschichte rührt? Dass Ihre Kollegin das Buch offenbar gelesen hat. Es ist ja überhaupt nicht selbstverständlich, dass ein geschenktes Buch auch gelesen wird. Das ist doch schon mal ein schöner Ansatz. Ich finde auch wahnsinnig nett, dass Sie sich überhaupt etwas schenken. Und zwar manchmal sogar zweimal im Jahr. Es klingt nicht danach, als ob Sie beide sich sehr nahestehen und auch außerhalb der Arbeit miteinander verkehren würden, aber immerhin haben Sie beide sich irgendwo den jeweiligen Geburtstag notiert und denken offensichtlich auch immer daran, was ja für ein gewisses freundliches Interesse spricht. Überhaupt können solche höflichen Aufmerksamkeiten das Leben nur verschönern.
Die meisten hier würden Ihnen vermutlich recht geben, dass es etwas seltsam ist, gebrauchte Sachen zu verschenken, aber Sie sind da ja ziemlich cool, was bewundernswert ist und auch sehr klug, denn es ist immer ein Fehler, von anderen zu erwarten, sie würden sich genauso verhalten wie man selbst. Ich kann Ihnen eigentlich nur raten, sich in Zukunft auch selbst nicht mehr so große Mühe mit den Geschenken für die Kollegin zu geben. Damit meine ich keinesfalls, dass Sie diese einstellen sollten. Aber schenken Sie ihr doch am besten Sachen, die auch eher nur eine minimale Aufmerksamkeit Ihrerseits erfordern. Eine Schachtel Pralinen, was auch immer: Stecken Sie einfach kein Herzblut mehr in die Auswahl Ihrer Gaben. Denn wenn man den anderen nicht ändern kann, muss man eben seine eigenen Handlungen etwas anpassen, und in Ihrem Fall bedeutet das: downgraden. Das hin und her geschenkte Buch behalten Sie als Joker: Falls noch mal ein Geschenk kommt, das Sie ärgert, schenken Sie es ihr wieder. Wer weiß, vielleicht wird daraus irgendwann eine schöne Tradition.
