Darf’s ein bisschen mehr sein? Seit 50 Jahren sorgen Silikonimplantate für Aufsehen. Natürlich groß? Oder gemacht? Claudia Walther sagt, niemand bemerke den Unterschied. Für das SZ-Magazin ließ sie sich fotografieren, möchte aber nicht erkannt werden.
SZ-Magazin: Frau Walther*, Sie haben sich Ihre ersten Implantate 1974 einsetzen lassen, lange bevor Pamela Anderson oder Brigitte Nielsen Silikon populär machten. Was hat Sie damals dazu bewogen?
Claudia Walther: Ich hatte immer einen wirklich schönen Busen, aber nach zwei Schwangerschaften war davon fast nichts mehr übrig. Ich wollte meine alte Figur zurück. Dann habe ich in einer Zeitschrift von diesen Implantaten gelesen, und da war auch eine Annonce eines Chirurgen in Frankfurt. Wir haben gleich einen Termin bekommen, ein paar Wochen später sind meine Mutter und ich zu dieser Klinik in Bahnhofsnähe gefahren.
Ihre Mutter hat Sie begleitet?
Sie hat sich ebenfalls die Brüste vergrößern lassen. Die hatte das Silikon bis zu ihrem Tod mit 86 drin. Das war gut gemacht, da blieb immer alles schön weich, im Gegensatz zu mir hatte sie nie Probleme.
Warum hatte Ihre Mutter sich für die Brustvergrößerung entschieden?
Mein Vater ist immer fremdgegangen. Er stand auf große Busen, aber sie selbst hatte nicht viel Oberweite. Also hat sie sich Körbchengröße D machen lassen und gedacht, so könnte sie ihn bei sich halten.
Und? Hat es funktioniert?
Er ist natürlich trotzdem fremdgegangen. Das rentiert sich nicht, wenn Sie sich das für jemand anders machen lassen. Ich habe damals nur an mich selbst gedacht, nicht an meinen Mann oder sonst wen. Ich habe auch alles selbst bezahlt und mir vom Mund abgespart. Um die 2500 Mark waren das damals, viel billiger als heute.
Wie war das erste Gefühl danach?
Ich war so stolz. Ich bin heimgefahren mit dem Zug, das weiß ich noch wie heute, ich hatte einen schwarzen Rollkragenpullover an, es war kalt, und darunter zeichnete sich der neue Busen enorm ab, alles war noch sehr geschwollen. Wir durften ja nach dem Aufwachen gleich nach Hause, die Drainagen wurden später ambulant entfernt. Ich war so stolz, so glücklich.
Wie waren die Reaktionen? Sie wohnten ja auf dem Land, nicht in der Großstadt. Wurde da nicht sofort getuschelt?
Natürlich reden die Leute, aber da stehe ich drüber. Ich hatte ja auch nie diese aufgeblasenen Brüste, als sei ein Fußball drin verstaut, das finde ich abstoßend. Vor der Geburt meiner Kinder hatte ich BH-Größe 75 C, nach der ersten OP dann 75 D. Mein Busen ist total natürlich, und so wollte ich ihn auch gemacht haben. Wenn das Verhältnis nicht passt, dann sieht es nicht schön aus. Einige meiner Freundinnen haben gesagt: »Du hast ja einen Vogel!« Aber da waren auch viele neidisch, die hätten sich das selbst gern geleistet. Auch die Männer aus unserem Bekanntenkreis haben gesagt, das schaut gut aus.
Männer stehen auf große Brüste – stimmt das Klischee Ihrer Meinung nach?
Ich arbeite in der Gastronomie, seit ich zehn bin, ich führe seit 20 Jahren eine Pension, ich habe immer mit Männern zu tun gehabt und sage ganz ehrlich: Die springen alle darauf an. Selbst die Unscheinbaren schauen dir am Ende doch aufs Dekolleté. Und gerade die Verheirateten wollen immer so was haben, die rennen mir nach wie sonst was. Ich bin nicht wunderschön, aber ich könnte immer jemanden haben.
Betonen Sie den Busen denn besonders, ziehen Sie tief ausgeschnittene Sachen an?
Ich kann mich so oder so anziehen. Wenn ich zum Beispiel etwas Getigertes anhabe und dazu einen Push-up-BH trage – das schaut dann eher ordinär aus, das will ich gar nicht. Aber wenn Monteure zu Gast sind und ich ein bisschen Eindruck machen will, dann zieh ich einen guten BH an, ein eng anliegendes Kleid, das muss gar nicht ausgeschnitten sein, aber man sieht – wow! Da kann jeder sagen, was er will – das funktioniert. Schon beim Tanzen früher haben Männer oft gesagt: »Ich tanz’ jetzt mit dir, weil du so einen schönen großen Busen hast!«
Fühlen Sie sich da nicht sehr auf Ihren Busen reduziert?
Nennen Sie es primitiv, aber es ist so. Trotzdem habe ich mich ja wie gesagt nie für einen Mann oder für die Männer operieren lassen. Wenn mein Partner zu mir gesagt hätte: »Lass dir einen größeren Busen machen« – das wäre nie infrage gekommen.
Wie hat Ihr damaliger Mann denn reagiert?
Das hat dem schon gefallen.
Haben andere Männer später sofort gemerkt, dass Ihre Brüste operiert sind?
Nur einer hat mich immer »mein Gummipupperl« genannt. Sonst hat mich eigentlich nie ein Mann darauf angesprochen. So groß sind die Narben ja gar nicht, der Schnitt wurde direkt um den Warzenhof gemacht, das sieht gar nicht wie eine Narbe aus. Und ich selbst sag’ einfach nichts. Es heißt doch immer, Silikonbrüste fühlten sich ganz anders an. Ich habe jetzt einen Verehrer, der sagt immer: »Hast du einen schönen Busen, mei, wie machst du das bloß?« Der hat nichts gemerkt. Wenn alles gut ist, sind die Brüste ganz weich.
Aber bei Ihnen war nicht immer alles gut, Sie haben inzwischen die vierte Brust-Operation hinter sich.
Bei mir ist nach einer Weile immer eine Verkapselung eingetreten. Das erste Mal nach neun Jahren, da habe ich gemerkt, dass sich die Form auf der einen Seite veränderte, die Brust bekam eine kleine, nach außen gewölbte Beule, ganz hart. Wenn ich ein dünnes Kleid anhatte, hat man das sogar gesehen. Ich konnte auch nicht mehr richtig auf dem Bauch liegen. Offensichtlich war das Implantat gerissen und etwas Silikon ins Gewebe ausgetreten. Ich bin dann schnell zum Arzt gegangen.
Wieder nach Frankfurt?
Nein, die zweite Operation habe ich in München bei einem bekannten Schönheitschirurgen machen lassen. Wie sich später herausstellte, war das derjenige, der die Frauen in seiner Praxis in Harlaching während der Narkose missbraucht hat. Bis eine Patientin mal wach geworden ist, erst dann kam die ganze Sache ins Rollen. An so etwas würde man ja nie denken!
Wie waren Sie auf diesen Arzt gekommen?
Durch meine Ex-Schwägerin. Sie hatte sich dort bereits operieren lassen und sagte, zu dem gingen jetzt alle und er sei günstig und gut. Ein komischer Typ, der hatte mir schon bei der Vorbesprechung in einem Café an den Busen gefasst, um zu schauen, wie sehr die Implantate verkapselt waren. Als das alles vor etwa 15 Jahren herauskam, habe ich mich natürlich auch gefragt, was der wohl mit mir angestellt hat. Ein unheimliches Gefühl, damals wurden Brust-OPs ja noch unter Vollnarkose gemacht.
Wie lange hielten die Implantate beim zweiten Mal?
Etwas über zehn Jahre. Dann hat sich wieder eine harte Kapsel um die eine Brust gebildet. Daraufhin bin ich zu Dr. Franz Gsell gegangen. Ein paar Jahre, bevor er umgebracht wurde, war das, obwohl, so genau weiß man ja immer noch nicht, was damals passiert ist. Der war jedenfalls ein ausgezeichneter Chirurg, da kann man überhaupt nichts sagen. Ein sehr sympathischer Mensch, sehr vertrauenswürdig, man hat sich gut aufgehoben gefühlt. Seine Frau Tatjana habe ich noch als Sprechstundenhilfe kennengelernt, aber da war nichts Auffälliges, gar nichts.
Haben Sie nie überlegt, es nach der zweiten Komplikation einfach sein zu lassen?
Nein, der Busen gehörte ja jetzt zu mir. Für mich hat sich da nie etwas fremd angefühlt. Und meine ganze Garderobe – das hätte alles nicht mehr gepasst. Dr. von Saldern, der mich zuletzt operiert hat, sagte: »Lassen wir das Silikon raus, ich spritze Ihnen Eigenfett.« Aber da wäre die Brust trotzdem viel kleiner, das wollte ich einfach nicht. Ich hoffe, die neuen Implantate halten jetzt eine ganze Weile. Denn ich bin jetzt 65 und mag langsam nicht mehr. Außerdem kostet eine OP heute jedes Mal 5000 bis 7000 Euro. Als die Nachfrage nach Brustver-größerungen stieg, gingen auch die Preise in die Höhe. Vor etwa zehn Jahren gab es dann immer mehr »Billig-Angebote« von Kliniken aus dem Ausland, vor allem aus Tschechien.
Haben Sie jemals darüber nachgedacht?
Das hätte ich nie gemacht. Da höre ich zu viele Geschichten, ich habe auch selbst einmal in einer Klinik gearbeitet. Lieber würde ich nichts mehr essen, keinen Urlaub mehr machen und an Kleidung sparen. Wenn ich so wenig für einen Eingriff bezahle, kann doch irgendetwas nicht stimmen, die Ärzte müssen bezahlt werden, die Instrumente müssen sauber sein. So vernünftig bin ich.
Was wussten Sie zu Anfang von den Risiken? Hatten Sie je Angst vor minderwertigen Implantaten, vor Komplikationen?
Bei der ersten OP wusste ich gar nichts, aber das war mir auch alles egal. Selbst wenn mir jemand gesagt hätte, du stirbst daran in 15 Jahren – ich hätte es trotzdem machen lassen, so versessen war ich darauf. Ich will gar nicht wissen, was ich da drin hatte, ob auch eines dieser minderwertigen Implantate dabei war. Andererseits sind nach den Operationen nie Komplikationen aufgetreten. Abgesehen von den Verkapselungen habe ich auch nie Schmerzen gehabt. Und inzwischen gibt es ja bessere Implantate, die mit einer speziellen Schicht überzogen sind. Das verhütet eigentlich die Verkapselung. Die hat mir der Dr. Gsell schon eingesetzt.
Was halten Silikonkissen aus, mussten Sie auf Ihre Brüste besonders achtgeben?
Eigentlich nicht. Ich bin fünf Jahre Skeleton im Eiskanal gefahren. Mit 120 Stundenkilometern schießt man da hinunter, das kann der Brust schon etwas ausgemacht haben, da nützt auch Watte im Rennanzug nichts. Aber sonst muss man nicht vorsichtiger sein als mit natürlichen Brüsten. Übungen mit schweren Gewichten im Fitnessstudio sollte man wahrscheinlich lassen. Früher hieß es ja, im Flugzeug würde das Silikon bei dem Druck zerreißen. Alles Blödsinn.
Haben Sie über die Jahre jemals die Größe oder Form der Implantate geändert? Von tropfenförmig zu rund oder etwas weniger, als in den Neunzigern eher wenig Oberweite in Mode kam?
Nein, ich weiß nicht mal, welche Form ich trage. Ich habe damals einfach gesagt: »Ich möchte es schön natürlich, nicht so einen Ball, bitte.« Ich weiß noch, dass es beim ersten Mal 120 Gramm Silikon pro Seite waren, dabei bin ich eigentlich immer geblieben, das passte zu mir. Erst bei der letzten Operation habe ich die Brüste minimal kleiner machen lassen.
Gab es ein Vorbild für Sie in den Siebzigerjahren? Eine Frau mit der idealen Oberweite?
Brigitte Bardot, Sophia Loren, das waren zu unserer Zeit die Traumfrauen. Schauen Sie die Sophia Loren heute an, die ist schon über 70 und hat immer noch ein wunderschönes Dekolleté. Da kann mir keiner sagen, die habe nichts machen lassen. Wie soll das gehen?
Sie meinen, Sie sehen bei anderen Frauen jetzt eher, ob jemand künstliche Brüste hat?
Das sehen Sie an jedem Dekolleté. Wenn ab einem gewissen Alter nichts hängt, obwohl man Kinder hat – da gibt es wenig Naturschönheiten, würde ich sagen. Die meisten, die etwas auf sich halten, haben nachgeholfen. Bei vielen weiß man es jetzt ja auch. Früher dagegen wurde alles vertuscht, das galt als etwas Furchtbares! Und noch heute streiten manche Frauen alles ab, obwohl sie aufgespritzte Lippen haben, dass es wie ein Schnabel aussieht.
Inzwischen wünschen sich schon 15-Jährige zum Geburtstag eine Brust-OP. Hätten Sie Ihrer Tochter den Eingriff erlaubt?
Nie hätte ich das zugelassen. Meiner Tochter habe ich nicht einmal ein Zungenpiercing erlaubt, da bin ich total strikt. Unter 30 kommt so ein Eingriff nicht infrage, finde ich. Man muss alt genug sein, für sich selbst zu entscheiden.
Haben Sie Ihre Entscheidung jemals bereut?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin froh. Unserer Generation ist es einfach wichtig, dass man ein bisschen gut ausschaut. Man kommt weiter, da kann man sagen, was man will. Und es tut einfach gut zu merken, man gefällt noch jemandem.
Runde Sachen
Die 30-jährige Texanerin Timmie Jean Lindsey wollte sich 1962 eigentlich nur ein Tattoo ihres Ex-Freundes entfernen lassen. Doch im Krankenhaus in Houston machten die Ärzte der sechsfachen Mutter noch ein weiteres »Verschönerungs«-Angebot: Lindsey wurde die erste Frau, der die gerade erfundenen Silikonimplantate eingesetzt wurden. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten es Chirurgen noch mit Füllmaterialien wie Glas- und Elfenbeinbällen, Erdnussöl oder Paraffin versucht.
Inzwischen gehört die Brustvergrößerung auch in Deutschland zu den am häufigsten durchgeführten Schönheitsoperationen. Aktuell schätzt die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie die Zahl der Eingriffe auf 15 000 bis 20 000 pro Jahr. Frauen sind bei einer Schönheits-OP durchschnittlich 41 Jahre alt, knapp zwei Drittel von ihnen geben an, in einer festen Beziehung zu sein. 2012 ging die Nachfrage erstmals leicht zurück: Die Implantate eines französischen Herstellers waren über Jahre mit einer zehnmal billigeren Silikonmischung gefüllt gewesen, die eigentlich für die Industrie vorgesehene Zutaten enthielt und im Verdacht steht, Krebs auszulösen.
* Name von der Redaktion geändert
Foto: Bert Heinzlmeier