»Dichtung ist nie überflüssig, sondern lebenserhaltend«

Durs Grünbein gehört zu den bedeutendsten Lyrikern Deutschlands – und hält sich selbst für vollkommen gewöhnlich. Im Interview spricht er über das Dichten als Existenzform, seine Enttäuschung über Olaf Scholz und darüber, warum er keine Angst vor Putin hat.

Durs Grünbein wurde 1962 in Dresden geboren, leistete Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee und studierte einige Semester Theaterwissenschaften in Berlin. Außer Lyrik veröffentlicht er auch Prosatexte und Essays – allein einen Roman hat er noch nicht geschrieben. Grünbein erhielt bereits mit 33 Jahren den Georg-Büchner-Preis. Sein aktuelles Buch Komet zeichnet das Einzelschicksal einer Frau im nationalsozialistischen Dresden. Zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Eva Sichelschmidt, lebt Grünbein in Berlin und Rom. Das Ehepaar hat drei Töchter.

SZ-Magazin Herr Grünbein, Sie sind Deutschlands größter Dichter, haben mit 33 Jahren den Georg-Büchner-Preis bekommen, wurden von der Kritik als »Junggenie« gefeiert. Gibt es etwas Banales, an dem Sie Freude haben?
Durs Grünbein:  Eine große cineastische Leidenschaft. Ich schaue fast jeden Abend einen Film – im Heimkino.

Verzeihung, Sie haben die Frage falsch verstanden. Gemeint war: Schauen Sie so was wie Germany’s Next Topmodel?
Als es anfing, habe ich mir das mal angeschaut, mit den Augen meiner Töchter sozusagen, ich wollte begreifen, was da auf sie zukommt. Inzwischen wurde der Fernseher abgeschafft, als sich zeigte, wie jede Sendung einem gewissen Format entsprach, dass alles von vornherein formatiert war, der Wettkampf, das Quiz, die Talkshow. Es ist schrecklich mit uns, wir langweilen uns alle so schnell. Was ich mag, sind ausführliche, konzentrierte Interviews, Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus, so was könnte ich mir stundenlang anschauen.