»Es gibt kein Recht darauf, dass der andere öfter ›Ich liebe dich‹ sagt«

Was, wenn in einer Beziehung einer die drei Worte gerne sagt und hören möchte – der andere aber nicht? Paartherapeut Holger Kuntze erklärt, wie man sich hier annähert – und was viel wichtiger als »Ich liebe dich« ist.

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SZ-Magazin: Wie wichtig ist, dass sich ein Paar den kleinen Satz »Ich liebe dich« sagt?
Holger Kuntze: Dem Satz lässt sich kein objektiver Rang zuordnen. Das müssen zwei Liebende unter sich ausmachen. Jemand mit einem sicheren Bindungsstil kann auf den Satz leichter verzichten, weil er positive Erfahrungen mit Bindungspersonen gemacht hat. Deshalb vertraut er seinem Partner, hat wenig Angst vor Verlust und hält sowohl Nähe als auch Distanz aus. Ein ambivalent gebundener Mensch hingegen hat Nähe sowie Zurückweisung erlebt und braucht das »Ich liebe dich« stärker zur Rückversicherung gegen Verlustängste. Wir alle haben also unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliche Zugänge zu unseren emotionalen Selbstauskünften. Wenn zwei sich in einer Beziehung darauf einigen, dass sie kein explizites »Ich liebe dich« brauchen, spielen die drei Worte auch keine Rolle. Schwierig wird es natürlich, wenn der eine diese Liebesbekundung gern hören würde, während der andere sich damit schwertut. Vor allem Männer sind mit »Ich liebe dich« sparsamer, weil viele den Zugang zu ihren Emotionen meiden.