Am Anfang war ja bekanntlich das Wort – heute dagegen sind der Worte so viele wie nie zuvor, und ob sie alle noch bei Gott sind, das ist auch nicht sicher. Klar ist nur eines: »Die« Bibel gibt es nicht mehr. Es gibt so viele Bibelausgaben, -editionen und -neuübersetzungen wie nie zuvor, und die schöne alte Übersichtlichkeit aus Luthers Zeiten und seiner bahnbrechenden einzigartigen Bibelübersetzung ins Deutsche ist dahin.
Oder wie sonst soll man es bewerten, dass Bibelworte, die sich in die Herzen und Hirne von Millionen eingemeißelt haben, in aktuellen Bibelausgaben in doch recht ungewöhnlicher Diktion wieder aufscheinen? So werden viele den Spruch »Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten« sofort als Jesu Wort aus der Bergpredigt (Matthäus 5,13) wiedererkennen. Wäre das aber auch der Fall, wenn man es ihnen in dieser Version vorlesen würde? »Ihr seid wie ein Kühlschrank für diese Welt. Ohne euch würde alles Gute vergammeln. Wenn dieser Kühlschrank aber nicht mehr funktioniert, gehört er auf den Schrott, wo er verrotten soll.« So skurril klingt Jesus, wenn ihn die »Volxbibel« übersetzt, ein Projekt, das sich an Jugendliche richtet und für sich ins Feld führt, deren Sprache zu verwenden und ihnen so die Frohe Botschaft verständlich zu machen. Deswegen tauchen in ihr »1000-Watt-Halogenstrahler« auf (»Licht der Welt«), deswegen gibt es auch Menschen, die nach dem Tode »ganz fett absahnen« werden (»es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden«). Und weil darin natürlich auch eine Provokation liegt, die als um-so stärker empfunden wird, je antiquierter das Original klingt, gibt es in kirchlichen Gremien, Verlagen und bei Gläubigen aller Konfessionen eine engagierte Diskussion. Darf man so etwas machen? Muss man vielleicht sogar? Oder handelt es sich schlicht um Blasphemie?
Die Diskussion hinterließ auch bei den Machern um den Theologen Martin Dreyer Spuren: In der aktuellen Neuauflage ist nun wieder von Salz statt von Kühlschränken die Rede. So oder so, das Werk kommt gut an: Startete die Auflage vor zwei Jahren mit 5000 Stück, wurden mittlerweile mehr als 100000 Exemplare abgesetzt. Wer dachte, dass das Bibel-Business nach 2000 Jahren Erfolgsgeschichte nun wirklich ein gesättigter Markt sei, der liegt also schief. Es gibt zahllose neue Produkte auf dem Jesus-Markt: Computerspiele, Hörbücher, Kinderbibeln und Jesus-Comics hier, künstlerisch aufwändige Sammlerwerke dort und natür-lich die Bibel zum Onlinelesen im Internet oder als digitales Download-Kit fürs Multimediahandy – was denkbar ist, das wird auch gemacht.
Dazu kommen Werke, die sich, so wie die Volxbibel, im religiösen Markt durch ein scharfes Profil ihre eigene Nische schaffen. Das trifft auch zu für das Projekt »Bibel in gerechter Sprache«, dessen feministischer Ansatz verstörende Schnitte in der vertrauten christlichen Sprachwelt hinterlässt. Plötzlich wimmelt es da von Jüngerinnen, Apostelinnen und Hirtinnen und das Vater-unser beginnt auf einmal mit den Worten »Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel«.
Wer so vorgeht, der zieht den vernichtenden Spott konservativerer Kreise geradezu zwangsläufig auf sich. Er wagt sich auch weit vor in der sprachwissenschaftlichen Diskussion, was noch eine Übersetzung ist und was schon eine Interpretation. Doch nicht nur an den Rändern boomt das Geschäft, sondern auch im Kern. Die Stammhäuser der großen Konfessionen, die Deutsche Bibelgesellschaft (evangelisch) und das Katholische Bibelwerk bringen jedes Jahr Hunderttausende Exemplare unter die Menschen. Genaue Zahlen werden nicht gern mitgeteilt, weil auch dieses Verlagsgeschäft unter Bedingungen lebt wie jedes andere: Lizenzen, Urheberrechte und Auflagenkalkulationen spielen entscheidende Rollen. Eine Schätzung anlässlich des Jahres der Bibel im Jahr 2003 sprach von 45 Millionen verkauften Exemplaren weltweit pro Jahr.
Wie stets, so sind uns die USA auch auf diesem Markt voraus: Dort ist es schon gang und gäbe, speziell ausgestattete Bibel-editionen für die verschiedensten Bevölkerungsgruppen auf den Markt zu bringen. So gibt es nun also eine Surferbibel, eine Bibel für Bräute, eine für Cowboys und so fort. Das Magazin The New Yorker, das sich kürzlich mit dem US-Bibelmarkt befasste, konnte die dortigen Verkaufszahlen auch nur schätzen (auf 25 Millionen pro Jahr) und resümierte erstaunt: »Das sind doppelt so viele wie beim aktuellen Harry Potter.«
Hören Sie hier "Biblische Dimensionen", gelesen von Frank Müller