Édouard Louis wirft sich auf den Bühnenboden und weint. Er weint oft, manchmal mehrmals am Tag, aus Freude und Hoffnung oder aus Trauer, Wut und Scham. Er streckt die linke Hand, als würde er sich vor den Schlägen schützen wollen, die er so oft erfahren hat – mit tränenden Augen sieht er ins Bühnenlicht. Von der Seite ruft der Regisseur: »Das funktioniert noch nicht!« Louis wirft sich also wieder hin, weint, hebt die Hand, kämpft. Auf der Leinwand hinter ihm erscheint ein Film von ihm, es kommt zu einem Gespräch zwischen Louis im Video und Louis auf der Bühne. Eine Befragung – so heißt auch das Stück, das hier Anfang Mai 2021 am Niederländischen Theater Gent geprobt wird und später durch Europa touren soll, zuerst nach Brüssel, im Herbst an die Kammerspiele nach München, und nach Paris: The Interrogation, die Befragung. Einziger Schauspieler des Stückes ist Édouard Louis, der 29-jährige Literaturstar aus Paris. Und wie in allen seinen Büchern geht es auch diesmal um ihn selbst – und um alles andere auch.
Der Elende
Édouard Louis ist der Popstar der französischen Literatur. Seine Kindheit war geprägt von Armut und Gewalt. Doch sie ganz hinter sich lassen kann er nicht – gerade darüber schreibt er ja.