»Wenn ein Schriftsteller nicht lügen will, ist er keiner«

Monika Helfer ist mit Büchern über ihre Familie berühmt geworden. Das Erinnern fällt ihr leicht, aber die Verantwortung wiegt schwer, vor allem für ihre Toten. Ein Gespräch über das Weitermachen, im Schreiben wie im Leben.

Die Schriftstellerin Monika Helfer, 76, in ihrem Garten in Hohenems, Österreich.

SZ-Magazin: »Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält«, schrieb Max Frisch in seinem Roman Mein Name sei Gantenbein. Wann haben Sie angefangen, sich eine Geschichte zu erfinden, die Sie für Ihr Leben halten?
Monika Helfer: Ich würde sagen, mit zwölf. Meine Schwester und ich sind unglaubliche Leseratten gewesen, unser Vater war ein Bücherjunkie. Er hat Bücher gekauft wie verrückt, obwohl wir kein Geld hatten. Keine Kinderschuhe, aber Bücher. Er wollte nicht, dass man seine Bücher anfasst, die waren so edel. Also haben meine Schwester und ich uns jede Woche einen neuen Stoß aus der Gewerkschaftsbibliothek geholt, wir haben Bücher wirklich gefressen. Und dann habe ich zu meiner Schwester gesagt: Pass nur auf, irgendwann steht mein Name hinten auf dem Buchrücken. Da hat sie gesagt, du spinnst ja. Und dann fing ich an, mir das richtig zu imaginieren. Es war fast etwas Zwingendes.