»Vielleicht kann man sich aus der Finsternis hinausschreiben«

Daniel Kehlmann träumte noch davon, Schriftsteller zu werden, als Salman Rushdie wegen eines Buches zum Tode verurteilt wurde. Heute leben beide in New York - und sind Freunde geworden. Ein Gespräch über die Macht von Worten.

»Es wäre schwer, mit jemandem befreundet zu sein, dessen Arbeit man nicht schätzt«, sagt Salman Rushdie (rechts) über Daniel Kehlmann.

Foto: Martin Schoeller

SZ-Magazin: Wie haben Sie sich kennengelernt?
Daniel Kehlmann: Das war 2008 auf einem Literaturfestival in New York, das Salman ins Leben gerufen hat. Es gab ein Dinner für Autoren. Ich saß neben Annie Proulx, Salman war auch am Tisch, ebenso Richard Ford, Péter Esterházy und Michael Ondaatje. Ich war überwältigt, alles fühlte sich so glamourös an. Die Vermessung der Welt war gerade auf Englisch erschienen.
Salman Rushdie: Ich war ein Jahr zuvor in Deutschland gewesen, und Freunde erzählten mir von deinem Buch. Ich dachte, wenn es übersetzt ist, sollten wir den Kerl so schnell wie möglich hierher schaffen. Ich habe es dann auch sofort gelesen. Jetzt warte ich auf die Übersetzung deines neuen Romans Tyll.
Kehlmann: Beim Schreiben von Tyll habe ich öfter an dich gedacht. Der Roman spielt in historischem Kontext, es geht um Politik und einen Moment extremer Umbrüche - Themen, über die auch du geschrieben hast.
Rushdie: Ich mag die Idee, eine Figur aus der Sagenwelt, Till Eulenspiegel, historisch neu zu interpretieren. Als ich Günter Grass kennenlernte, hatte er gerade sein Buch Das Treffen in Telgte veröffentlicht, das sich ebenfalls mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigt. Dieser Kontext macht Tyll für mich besonders interessant.