Sofia Gubaidulina lässt nicht viele Menschen zu sich nach Hause. Sie ist 88 Jahre alt und braucht ihre Aufmerksamkeit für die Werke, die sie noch fertigstellen, noch hinterlassen will. Sie lebt allein, spricht wenig, ein Kritiker hat mal geschrieben, sie schweige mit wachen Augen. Das trifft es ganz gut. Jeden Tag geht sie auf einen Rollator gestützt spazieren, vorbei an Getreidefeldern, durch ein Wäldchen und zurück zu ihrem Haus. »Dabei lausche ich den Klängen des Universums«, sagt sie.
Wenn jemand sie besuchen will, sagt sie fast immer ab: keine Zeit, keine Kraft. Ganz selten macht sie eine Ausnahme. Der erste Termin mit dem SZ-Magazin Ende 2018 platzt – ein Bruch des Lendenwirbels. Fast ein Jahr danach aber lässt man sich von dieser zierlichen, vorsichtig lächelnden Frau – sie geht mit Trippelschritten voran – ins Wohnzimmer führen, wo ein Konzertflügel steht, den ihr vor Jahren der Jahrhundertcellist Mstislaw Rostropowitsch geschenkt hat.