»Gegen die Krise der Demokratie hilft nur mehr Demokratie«

Wieviel Lockdown hält unsere Gesellschaft aus? Stößt der Kapitalismus jetzt an seine Grenzen? Und welche Lehren sollen wir am Rande des Zusammenbruchs ziehen? Rahel Jaeggi gilt als eine der renommiertesten Stimmen der politischen Philosophie in Deutschland. Ein Gespräch über die Risse, die durch das Land gehen – und die Chance zur Umkehr.

Rahel Jaeggi ist Philosophie-Professorin an der Humboldt-Universität Berlin. Vor Kurzem ist bei Suhrkamp der Band »Kapitalismus« erschienen, in dem sie (gemeinsam mit der Philosophin Nancy Fraser) die großen Krisen der Gegenwart analysiert. 

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SZ-Magazin: Frau Jaeggi, Sie arbeiten seit Langem an einem Forschungsprojekt mit dem Thema »Krise von Kapitalismus und Demokratie«. Man kann sagen, in beiden Fällen ist gerade mehr Krise denn je.
Rahel Jaeggi: So eine Pandemie wäre für jede Gesellschaft, egal, wie sie ökonomisch und sozial verfasst ist, eine Herausforderung. Sie trifft aber auf bestehende ökonomische, politische und soziale Strukturen, auf Achsen der Ungleichheit und auf Methoden des Wirtschaftens. Die eigentliche Krise besteht jetzt darin, wie wir mit der Krise umgehen. Die Krise der Krisenbewältigung. Ob da der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, die richtigen Antworten hat, ist mindestens zweifelhaft. Und dass die Pandemie neue Krisen der Demokratie hervorbringen und alte verstärken kann, scheint mir auch klar.