Kopu-Leuchtturm, Estland

Der Dicke von der Ostsee

Die Esten singen. Immer und überall. Sogar am Leuchtturm. Wenn im Juli 100000 Esten bei dem Gesangsfestival in Estlands Hauptstadt Tallinn gemeinsam singen, dann singen auch ein paar Dutzend vor dem dicken Kopu auf der Insel Hiiumaa, im Westen, mitten im Wald, zwischen Elchen, Wildschweinen, Rehen und Unmengen von Wacholder.

Der dicke Kopu ist der älteste Leuchtturm in der Ostsee: 1531 gebaut, weil zu viele Schiffe vor der Insel auf Grund liefen und von Piraten gebrandschatzt wurden. Der dicke Kopu liegt zwei, drei Kilometer von der Küste entfernt, mitten auf der Kopu-Halbinsel, an der höchsten Stelle. Man bestieg ihn früher einmal von außen, deswegen brauchte er dicke schiefe Wände, die das Auf- und Abseilen erleichterten. Erst im 18. Jahrhundert bohrte man einen Treppenaufgang ins Gestein. Für das Feuer auf dem Kopu wurde im Laufe der Jahrhunderte der ganze Wald um den Turm abgeholzt; Schweden, Dänen, Deutsche und Russen wechselten sich ab bei der Eroberung Estlands und auch bei der Wache auf dem höchsten Leuchtturm von Hiiumaa. Im Ersten Weltkrieg, das elektrische Licht aus Paris war gerade erst installiert, schoss ein deutsches Schlachtschiff den Kopu krumm. Man wollte mal wieder die Russen auf dem Turm verjagen.

Die Russen kamen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder. Hiiumaa wurde Grenzsperrgebiet, das man nur mit Sondererlaubnis betreten durfte. Den Einheimischen wurde das Fischen und sogar das Schwimmen im Meer verboten, vom Kopu aus kontrollierten sowjetische Soldaten, dass niemand sich im Schlauchboot auf den Weg nach Schweden machen konnte.

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Der Kopu ist heute noch das Wahrzeichen der Insel und ziert Briefmarken. Das Holzhaus des Leuchtturmwärters ist verwaist, auch seine alte Rauchsauna, in der Esten traditionell Bier trinken, essen und auch Kinder gebären. Im Sommer kommen viele Sammler mit ihren Leuchtturmpässen, um sich den Kopu-Stempel abzuholen, Eintritt 1,20 Euro. Und sie kommen zu den Konzerten vor dem Kopu in den weißen Nächten, in denen es nicht dunkel werden will.

Im dunklen Winter hört man auf dem Kopu nur das Singen einiger Vögel und eines nahen, sich drehenden Radars.

Übernachten
»Dagen Haus«, Orjaku küla, Hiiumaa, Tel. 00372/518/2555, www.dagen.ee; DZ ab 50 Euro, auch kleinere Ferienhäuser.
Essen Fisch in Tallinns Altstadt oder internationale Küche im »Horisont«-Restaurant des Swissotels im 30. Stockwerk mit Blick über den Hafen, die Strände und die Altstadt, Tel. 624/ 4444.
Unbedingt estnische Rauchsauna im Soera Talumuuseum, Palade küla, Hiiumaa, ausprobieren, Tel. 56/666895, www.soeratalumuuseum.ee; die Rauch-sauna in dem alten Bauernmuseum darf man benutzen, bevor man sich von Öie mit traditionellem Essen bekochen lässt, sehr reichhaltig und lecker!
Anreise Mit Air Baltic über Riga nach Tallinn ab 193 Euro; eineinhalb Autostunden bis zum Fährhafen Rohuküla, eineinhalb Stunden auf der Autofähre bis Hiiumaa.

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