Frauen steht Geld nicht. Frauen haben statistisch gesehen weniger Geld als Männer. Frauen beschäftigen sich nicht gern mit Geld. Frauen und Geld passen nicht zusammen. Geld macht sie unsexy, ja: biestig. Das sehen wir bei Frauen wie Friede Springer, die nicht nur reich sind, sondern ihr Geld in Macht umsetzen. Das verstört uns.
Andererseits scheinen uns Bilder von Paris Hilton, wenn ihr ein Dutzend Einkaufstüten an den dünnen Armen baumeln, völlig natürlich. Ihr Shoppingwahnsinn verstört niemanden: Sie ist ja eine Frau. Und für Frauen ist Geld zum Ausgeben da. Frauen seien wesentlich »kapitalismuskompatibler« als Männer mit ihrer Jägernatur, sagt der Kulturphilosoph Peter Sloterdijk: »In der Konsumentin zeigt sich noch immer diese stille, triumphale Genugtuung der Sammlerin, die in ihrem Korb etwas heimbringt« – nur heute eben in der Handtasche oder der Shoppingtüte.
Frauen interessiert Geld nicht? Nur wenn sie es ausgeben können? Alles Vorurteile? In TV-Serien wie Sex and the City sehen wir die Protagonistin Carrie Bradshaw in New York ihr vierhundertstes Paar Schuhe kaufen. Sie kann sich das merkwürdigerweise leisten, obwohl sie nur eine einzige Kolumne für eine Zeitschrift schreibt. Wir sehen Miss Bradshaw auch nie bei ihrem Bankberater oder über ihre Altersvorsorge und Zukunfts-investitionen nachdenken. Vielleicht wollen wir das auch gar nicht sehen. Auch wir gehen in der Bank nicht direkt nach hinten zu den Fondsberatern und Finanzplanern durch, sondern stehen vorn am Schalter und pflegen unser Sparbuch. Klar, wir lieben das Bild der starken, gut verdienenden Frau. Wir wären selbst gern eine, reich, erfolgreich. Aber den Gedanken, dass wir uns um unser Geld und unsere finanzielle Sicherheit auch kümmern müssen – den lieben wir, mal ehrlich, nicht sehr.
»Ich finde es schade, wenn sich Frauen nicht für Geld interessieren. Leider höre ich oft Sätze wie: Mein Mann regelt die Geldsachen«, sagt Astrid Hastreiter. Die 42-Jährige leitet die Frauenbank in München. Sie will, dass Frauen mehr aus ihrem Geld machen, es anlegen, investieren, damit geschickt hantieren. Das tun sie, so ihre Erfahrung, noch viel zu wenig: »Frauen empfinden Geld als etwas Unangenehmes.« Für Astrid Hastreiter ist das unverständlich, sie beschäftigt sich gern mit Zahlen und all den anderen Dingen, die uns oft nervös machen: Fonds, Aktienmärkte, Sparpläne, Rohstoffpreise. Sie sagt: »Der Umgang mit Geld macht mir Spaß.«
Ihre Theorie, wie Frauen das Geld lieben lernen: Erstens sollten sie das Thema nicht verdrängen. Einfach den Wirtschaftsteil lesen, so selbstverständlich wie Männer, die oft auch nur die Hälfte verstehen. Zweitens: Wenn Bankberater von »optimaler Kapitalstreuung« sprechen, heißt das nichts anderes als: »Setzen Sie nicht nur auf ein Pferd.« Alles lässt sich auch einfacher sagen, man muss nur wissen, wie. Drittens: Frauen wollen Geldanlagen, die sich nicht nur gut anhören, also angeblich viel Geld bringen, sondern sich auch gut anfühlen. Frauen gehen mit Geld emotionaler um. Das kann auch Vorteile haben: Ökologische Fonds sind beispielsweise bei Frauen sehr beliebt.
Trotzdem, die Finanzwelt ist männlich, das erlebt Astrid Hastreiter ständig, wenn sie wieder in einer Männerrunde von Bankern sitzt. Im Hollywoodfilm Wer ist Mr. Cutty? von 1996 gibt sich Whoopie Goldberg noch als Mann aus, um die Investoren von der Wall Street von ihren Anlagen zu überzeugen. Viel hat sich nicht geändert: Männer gelten als Finanzjongleure, die grö-ßere Risiken eingehen, gern zocken. Der Witz an den großen Gesten: Frauen haben mit ihrer vorsichtigen Art statistisch gesehen weitaus mehr Erfolg bei Aktiengeschäften. Frauen und Geld passen eben doch zusammen. In Amerika bewiesen das die »Beardstown Ladies« – eine Gruppe von Frauen, die in den Achtzigern und Neunzigern durchschnittliche Renditen von 23 Prozent erzielten. Ihr Spitzengewinn: sechzig Prozent.
In Interviews verkündeten die Amerikanerinnen: »Die Börse ist keine Geheim-wissenschaft«, Männer seien nur viel selbst-bewusster und überschätzten sich dabei oft. Etwas mehr Selbstvertrauen würde den Frau-en helfen und wäre nicht unangebracht – immerhin verwalten 42 Prozent der Frauen in Deutschland das gemeinsame Geld in der Familie. Allerdings mit einer Einschränkung: Vor allem in den unteren Schichten strecken Frauen das kleine Haushaltseinkommen über den Monat. Doch sobald der Kontostand steigt, sinkt auch der Einfluss der Frau auf die Familienfinanzen. Dann wird Geld zum Statussymbol, heißt: Männersache.
Was sich Männer von ihrem Geld kaufen, das sind wiederum Statussymbole. Sie tauschen Geld gegen einen anderen Wert, den man herzeigen kann. »Männer identifizieren Geld mit Macht und Kontrolle. Für Frauen dagegen bedeutet Geld Sicherheit und Autonomie«, so die amerikanische Finanzpsychologin Kathleen Gurney. Für Frauen sei Geld eher Mittel zum Zweck – sie geben es aus, um sich ihr Leben angenehmer zu machen –, und nicht wie für Männer Selbstzweck.
Was machen also beispielsweise junge Frauen mit ihrem Geld? Die 28-jährige Grafikerin Johanna Michaelis ist eine typische moderne Frau. Sie arbeitet viel und gern, regelmäßig führt sie Gehaltsverhandlungen, sie verdient als Grafikerin 1800 Euro netto. In Ostdeutschland, wo sie lebt, ist das eine Menge. Wie sie mit Geld umgeht? »Ich habe nie viel Bargeld bei mir, fahre kein schickes Auto, trage keinen teuren Schmuck. Ich will aber jederzeit in den Urlaub fahren können, im Restaurant essen, mir einen teuren Friseur, Fitness und Sauna leisten.« Eigentlich ein recht logischer Umgang mit Geld, es für sich selbst auszugeben und nicht für das Bild, das andere von einem haben sollen. Trotzdem halten sich die vielen Sprüche über Frauen und ihre irrationalen Schuhkäufe. Wer bitte macht aber mal Witze über Männer und ihre neue Rolex?
Laut UNO-Statistik beziehen die Frauen weltweit nur ein Zehntel der Einkommen. Frauen geben nicht generell mehr Geld für Konsumgüter aus als Männer, anteilig an ihrem Einkommen aber schon – denn sie verdienen einfach weniger. Ihr Besitz beträgt sogar nur ein Hundertstel des Weltvermögens. Aber: Sie leisten weltweit zwei Drittel aller Arbeitsstunden.
Vor allem soziale Berufe werden zu achtzig Prozent von Frauen ausgeübt, meist zu lächerlichen Gehältern. Dagegen liegt der Frauenanteil in Branchen, in denen es ausschließlich ums Geldverdienen geht, etwa im Außendienst, bei nur zehn bis zwanzig Prozent. Wir arbeiten, so scheint es, weil wir einen Sinn in unserer Arbeit sehen, das Geld ist dabei offensichtlich immer noch zweitrangig. Solange wir als Mädchen dazu erzogen werden, sozial statt wirtschaftlich zu denken, wird sich das nur langsam ändern. Die amerikanische Autorin Liz Perle schreibt in ihrem Buch Money, A Memoir – Women, Emotions, and Cash: »Ein Mädchen, das baby-sittet, wird gelobt, wie gut es mit Kindern umgehen könne. Mäht dagegen sein Bruder den Rasen der Nachbarn für Geld, sagt niemand zu ihm: Mensch, kannst du aber gut mit dem Rasen umgehen. Sie loben ihn, was für ein guter Unternehmer er sei.«
Erst jetzt gibt es eine Generation Frauen, die überhaupt weibliche Rollenvorbilder für einen selbstsicheren Umgang mit Geld haben. Wir üben das noch, immerhin können wir erst seit ein paar Jahrzehnten allein Arbeitsverträge abschließen und unser Vermögen selbst verwalten. Bis 1953 gehörte es nach einer Heirat dem Mann. Das scheint lange her zu sein und heute heißt es: Natürlich sind Frauen und Männer gleichberechtigt, auch in Geldangelegenheiten. Aber versuchen Sie mal, der Elster-Steuer-Software klar zu machen, dass Sie als Frau das Familieneinkommen verdienen. Das Programm ist völlig überfordert und beharrt beim Ausfüllen darauf, dass ein Alleinverdiener in einer Familie nur der Mann sein kann.
Finanzielle Unabhängigkeit ist immer noch nicht selbstverständlich. Merkwürdigerweise noch nicht einmal bei den Frauen selbst: Wir geben im Monat durchschnittlich 111 Euro für Gesichtscreme und Schuhe aus, aber nur zwischen 50 und 100 Euro für unsere Rentenvorsorge. 42 Prozent der deutschen Frauen sorgen überhaupt nicht privat vor. Hinzu kommt, dass durch Kinderpausen und Teilzeitjobs auch die gesetzlichen Beiträge geringer sind als bei den Männern. Vier von fünf Frauen bleibt eine Rente von 600 Euro monatlich. Warum also eigentlich nicht jemanden heiraten, der für unsere finanzielle Absicherung sorgt? Wäre das nicht das Einfachste? Dass der Tausch von Unabhängigkeit gegen Sicherheit ein Fehler sein kann, zeigt die Serie Desperate Housewives – und die Wirklichkeit ist oft weitaus weniger witzig als im Fernsehen.
Ein Hausfrauenleben, Edith Schuster hat es 18 Jahre lang geführt: Sie war verheiratet, hatte zwei Kinder. Eigenes Geld oder ein Konto hatte sie nicht. Die heute 59-Jährige wurde unselbstständig, unsicher, finanziell von ihrem Mann abhängig. Für ihn funktionierte die Ehe, für sie nicht mehr. »In einer Kurzschlussreaktion habe ich nach meinem 40. Geburtstag eine Wohnung gemietet, meinem Mann die Schlüssel hingehalten und ihn gebeten, er solle ausziehen.« Anfangs mussten sie und ihre beiden Kinder von 500 Mark im Monat leben.
Das ging einigermaßen gut, denn in der Ehe hatte sie gelernt, ihre Bedürfnisse zurückzuschrauben: Sie glich die Haushaltskasse aus, während ihr Mann über seine Ver-hältnisse lebte: »Gingen wir in ein Restaurant, bestellte er sich vier Gänge mit den teuersten Gerichten. Ich nahm nur eine Suppe, weil ich wusste, dass er die Hälfte seines Essens übrig lässt. Das aß ich dann.« Sie nähte sich für einen Ball ein Kleid, für das sie Komplimente bekam. Stolz antwortete sie, dass sie es selbst gemacht habe. Ihr Mann machte ihr eine Szene: Warum sie nicht sage, das Kleid sei aus einer feinen Boutique?
»Ich habe auch immer mal wieder fünf Euro abgezwackt«, sagt Edith Schuster. »Ich hätte ihn auch fragen können, aber ich war einfach darauf trainiert, keine eigenen Ansprüche zu äußern.« Über Generationen hinweg halten sich so solche Merkwürdigkeiten wie der »Knippel« – ein jiddisches Wort für einen Geldvorrat, den Frauen für sich horten. Gespeist wird der »Knippel« von kleinen Diebstählen aus der Brieftasche ihrer Ehemänner.
Scheidung, Ausbildung und eine Unternehmungsgründung machten Edith Schuster zu einer anderen Frau. »Geld macht sicher und selbstbewusst. Seit ich Geld verdiene, werde ich ernst genommen.« Von ihrem zweiten Mann ist sie finanziell unabhängig. »Gerade habe ich mir einen Laptop gekauft. Da frage ich meinen Mann nicht, er wird nur informiert.« Die wichtigste Erkenntnis, die sie in ihren beiden Ehen gewonnen hat: »Eigenes Geld bedeutet Freiheit, vor allem in einer Beziehung. Jetzt bin ich mit einem Mann zusammen, weil ich ihn liebe. Nicht, weil ich Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin habe.«
Vielleicht verhält es sich einfach so: Das Problem ist nicht, dass Frauen nicht mit Geld umgehen können. Sondern dass sie glauben, Geld und Gefühl vertragen sich nicht. Nicht nur die Beardstown Ladies haben bewiesen, dass dies Unsinn ist.