SZ-Magazin: Wenn ein Mensch auf einen seiner fünf Sinne verzichten müsste, würde er sich wohl vom Geruchssinn verabschieden. Das zeigt zum Beispiel eine Studie von 2019, in der die Befragten den Geruchssinn als am wenigsten wertvoll einstuften. Warum, glauben Sie, ist das so?
Johannes Frasnelli: Weil viele Menschen nicht wissen, was der Geruchssinn kann. Mit dem Riechen verbinden die meisten wohl das Wahrnehmen von Parfüm, Blumenduft oder den Gestank voller Windeln. Darauf scheint man verzichten zu können. Aber tatsächlich nehmen wir über den Geruchssinn auch den Großteil der Aromen wahr, die in unserem Essen stecken. Die Geschmacksnerven auf der Zunge sind nur für die Unterscheidung in süß, sauer, salzig, bitter und umami da. Den Rest erledigt der Geruchssinn. Mit ihm können wir einen Apfel von einer Ananas unterscheiden, die für unsere Zunge im Grunde gleich schmecken: süß und ein bisschen säuerlich. Diese Wahrnehmung der Aromen funktioniert auch mit geschlossenem Mund, denn die Duftstoffe steigen über den Rachen in die Nase auf und treffen dort auf die Riechschleimhaut. Wenn wir Schnupfen haben und die Nase verstopft ist, funktioniert das nicht mehr, und auf einmal schmeckt alles fad. Außerdem kann der Geruchssinn überlebensnotwendig sein. Wenn wir Rauch oder Gas riechen und sofort wissen, dass wir in Gefahr sind.
»Bei Menschen, die sehr bewusst riechen, verändert sich das Gehirn«
Der Geruchssinn ist wichtiger für uns, als viele Menschen denken: Er warnt uns vor Gefahren und beeinflusst unsere Gefühle. Der Geruchsforscher Johannes Frasnelli erklärt, wie man das Riechen trainieren kann – und was ihm besonders schadet.