»Unsere Grammatik widerspricht dem Grundgesetz«

Für die Linguistin Luise F. Pusch ist das Deutsche eine Männersprache. Ein Gespräch über gewonnene Kämpfe und ihre verlorene Karriere, über ihr beschwerliches Coming-out und die Liebe ihres Lebens.

Jeden Morgen macht Luise F. Pusch einen Spaziergang in der Eilenriede, dem Stadtwald von Hannover.

SZ-Magazin: Sie gelten als Mitbegründerin der feministischen Linguistik in Deutschland. Auf Sie aufmerksam geworden bin ich durch ein grammatikalisches Problem im SZ-Magazin. Ich hatte geschrieben: »Als Kind und Jugendliche wäre mir das nie passiert.« Unsere Schlussredakteurin korrigierte: »Als Kind und Jugendlicher wäre mir das nie passiert.« Wieso muss da »Jugendlicher« stehen? Ich bin doch eine Frau.
Luise F. Pusch: Grammatikalisch gesehen hatte Ihre Schlussredakteurin recht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel zum Verständnis: »Das wäre mir als jugendlicher Delinquentin nicht passiert.« Das »Jugendlicher« ist in Ihrem Satz ein substantiviertes Adjektiv im Dativ. Der Dativ klingt gern etwas männlich, es heißt ja sogar: »Gib der Mutter einen Kuss!«