Man sagt ungern was Kritisches über Erich Kästner, weil er großartige Dinge geschrieben hat: seine Lyrik, die Kinderbücher und auch den Fabian, zum Beispiel. Aber Die Konferenz der Tiere, mal ehrlich – Kitsch, oder? Jedenfalls beinahe, wenn Kästner nicht so ein guter Autor gewesen wäre und Walter Trier nicht ein großartiger Illustrator. Tier-Delegierte versammeln sich, weil die Menschen politisch gescheitert sind, und führen den Weltfrieden ein, ach, wissen Sie! Süßlich, die Projektion alles Guten auf Löwen, Elefanten, Giraffen.
Zufällig las ich vor einer Weile etwas über einen Kater namens Limberbutt, dessen Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten im Jahr 2016 von 12.000 Menschen unterstützt wurde; er trat unter dem Slogan The time is meow für die Demo-cats an. Limberbutt schaffte es bis zur Anmeldung bei der Bundeskommission zur Wahlkampffinanzierung. Im Oval Office sitzt ein anderer Bewerber, der Kater wurde zur Wahl nicht zugelassen, was wohl mit seinem Alter zusammenhing. Ein Präsidentschaftsanwärter muss, den Bestimmungen der Verfassung zufolge, mindestens 35 Jahre alt sein. Limberbutt war 2016 erst sieben.
Übrigens sind Katzen damit von der Präsidentschaft ausgeschlossen. Im September 2017 ging die Nachricht um die Welt, die älteste Katze der Welt sei im Alter von 32 Jahren gestorben, sie hieß Nutmeg und lebte in Newcastle, England. Was nicht heißt, dass es nun keine älteste Katze mehr gäbe, sie heißt nur anders und wohnt nicht in Newcastle, egal jetzt. 35 ist für keine Katze zu schaffen. Wer singt Kinder an die Macht? Grönemeyer, oder? Auch billig, ein Rangewanze ans Publikum.
Tiere an die Macht?
Fürs Weiße Haus kommen wegen der Altersgrenze nur Elefanten, Schildkröten oder Grönlandhaie in Frage. Oder eben Menschen. Trotzdem gehen immer wieder possierliche Nachrichten von Tieren in politischen Ämtern um die Welt. Gerade haben die Bürger von Fair Haven in Vermont/USA die Ziege Lincoln zum Bürgermeister gewählt, die sich nach der Vereidigung erst mal umfangreich ins Amtszimmer erleichterte. »Sieh dir den Mist an«, wird dazu in der Burlington Free Press ein örtlicher Café-Besitzer zitiert, »es ist wie bei jedem anderen Meeting.« Und in Rabbit Hash/Kentucky gibt es seit 1998 nur Hunde als Ortsvorsteher, momentan herrscht eine Pitbull-Hündin, die auf den Namen Brynneth Pawltro hört, hoffe ich jedenfalls, man kann ja eine Bürgermeisterin nicht anleinen. Ein Australian Shepherd und ein Border Collie landeten bei der Wahl auf den Plätzen zwei und drei. Den Wahlkampf stellen wir uns lieber nicht vor.
Und sonst so? In der Stadt Entenhausen trägt das Schwein Bleibtreu die Amtskette des Chefs, aber die wahre Macht hat eine sehr alte und reiche Ente. In Bagdad wurde der Kalif Chasid in einen Storch verzaubert, aber als solcher konnte er nicht Kalif sein, also wurde der Sohn des Zauberers, der ihn verwandelt hatte, Kalif. Doch Chasid konnte sich von dem Bann befreien, kehrte zurück, übernahm wieder die Macht. Dafür wurde des Zauberers Sohn zum Storchen. Das ist ein Märchen von Wilhelm Hauff.
Und da wäre noch King Louie, der, a babe di dub dub dube di sad, es zum Affenkönig im Dschungelbuch gebracht hat. Er wäre aber, schubidu, lieber gern wie du-hu-u, wobei du-hu-u ein Mensch ist: Mowgli. Den Eber Napoleon nicht zu vergessen, er errichtet in George Orwells Farm der Tiere eine Gewaltherrschaft, schlimmer als die der Menschen – eine Fabel auf die Gewaltherrschaft Stalins, eine treffende übrigens.
So kann es auch ausgehen, wenn Tiere herrschen. Obwohl: tun sie ja nicht. Ein Mensch hat nur ein Buch geschrieben. Dass Tiere wirklich die Macht übernehmen? Kommt im Dschungel vor, wenn ein Tiger vor dir steht. Oder manchmal drangsalieren Bandwürmer einen Zeitgenossen. Erleben möchte man’s nicht.