Überall heißt es: Das Elektroauto wird kommen, das Elektroauto wird uns retten. Hat jemand daran gedacht, dass jedes Elektroauto ein Ladekabel braucht? Wie Handys?
Zu den Haupteigenschaften des Ladekabels gehört, dass es nicht da ist, wenn man keinen Strom mehr hat. Man hat es verlegt. Verloren. Vergessen.
Das wäre nicht so schlimm, hätte nicht jedes Handymodell sein eigenes, unverwechselbares, mit anderen Handytypen inkompatibles Ladekabel mit seinem eigenen, unverwechselbaren, mit anderen Handytypen inkompatiblen Ladekabelstecker.
So ging es mir, als ich mit meinem Telefon in einer anderen Stadt war; das Kabel aber war in München geblieben. Ich ging in einen Telefonshop und wartete, bis der Mann vor mir zu Ende beraten worden war. Er wollte etwas über Handytarife wissen, bei denen es ja immer auch um die Frage geht, ob man sonntags zwischen acht und neun für dreieinhalb Cent pro Minute ins südkoreanische Festnetztelefonieren kann oder nicht. Das dauerte.
Als ich dran war, probierte der Verkäufer alle vorhandenen Kabel an meinem Telefon aus. Keines passte. Mein Telefon war schon ein halbes Jahr alt, uralt. Ich ging in den nächsten Laden. Vor mir wieder einer, der sich über Handytarife orientieren ließ. Ich trat von einem Fuß auf den anderen. Hinter mir trat eine Frau von einem Fuß auf den anderen. Sie sagte leise zu mir: »Würden Sie mich vorlassen? Ich brauche nur ein Ladekabel…«
»Nur ist gut«, kicherte ich irr. »Nur ist wirklich gut…«
Sie hatten es dann auch nicht. Ich ging meiner Wege. Mir war, als ob es tausend Ladekabel gäbe und hinter tausend Ladekabeln keine Welt.
Ich saß auf einer Wiese in den Bergen. Hundert Meter über mir, den Hang hinauf, eine Hütte. Kein Mensch dort, dann doch einer. Er begann zu tele-fonieren, laut, und ich hörte, wie in einem Amphitheater, jedes Wort. Er redete über die Börse und dass er dort keinen Erfolg habe, obwohl er ihn dringend brauche.
»Vor ein paar Tagen bin ich ausgestiegen, es ging tagelang nur noch runter, ich musste raus, ich war kurz vor der Pleite, ich musste, verstehst du? Ich hatte nix mehr. Und 'ne Viertelstunde nachdem ich draußen war, ging das Ding hoch. Gingen die Kurse hoch. Eine Viertelstunde! Das glaubst du doch nicht! Eine Vier-tel-stun-de! Es ist, als wären die in meinem Kopf, als könnten die in meinen Kopf hinein- schauen. Als wären die in mir drin…Ja, so ist das. Die haben ihre Computerprogramme, da können sie genau sehen, was wir machen, wir Kleinen. Die sehen alles, und dann machen sie genau das Gegenteil, immer schön hin und her, damit sie die Gebühren kriegen, damit sie ihre Verluste in den USA wieder reinfahren. Aber ich musste doch raus! Die treiben einen bis an den Rand, bis du in die Tiefe schaust, bis du nicht mehr kannst. Ich konnte nicht mehr... Ja... Jetzt ist erst mal Wochenende… Ja… Nächste Woche werde ich einen auf Bär machen, das kannst du mir glauben, ich denke, dass das Ding noch mal auf sechzigachtzig runtergeht oder sogar auf fünfacht…«
So redete der Mann, eine Viertelstunde lang, ohne Punkt und Komma. Dann beendete er seinen Monolog mit den Worten: »Na, is gut, mach’s gut, ich hatte dich nur angerufen… Wollte nur mal hören, wie’s dir so geht.«
In Amerika gibt es jetzt eine Technik, mit deren Hilfe man ein Handy anrufen kann und garantiert nicht dessen Besitzer zu sprechen bekommt, sondern direkt auf die Mailbox weitergeleitet wird. Man vermeidet so lästige Debatten, wenn man zum Beispiel eine Beziehung beenden möchte.
Kommunikationsexperten sagen dazu: Der moderne Mensch will keine Dialoge mehr, er will nur noch etwas bekannt geben. Ich sage: Leute, wisst ihr noch, was ein Brief ist? Damit ging so was auch sehr gut.
A., meine Freundin, wollte kürzlich in einer Firma anrufen. Sie wählte. Es läutete. Eine Stimme sagte: »Guten Tag. Wir freuen uns über Ihren Anruf. Auf Wiedersehen.«
Illustration: Dirk Schmidt