Das Beste aus aller Welt

Immer heißt es, die Deutschen seien ein ängstliches Volk. Stimmt nicht, sagt Axel Hacke. Denn er war beim Skifahren. Es war furchtbar.

Ich gehe, wie in jedem Winter, am Wochenende zum Skifahren. Meine linke Hüfte ist schwarzblau verfärbt, die Beule dort hat die Größe eines halben Handballs. Ich bin mit den Skiern auf einer Eisplatte weggerutscht und drei Meter tief in einen Bach geflogen, dann hart auf einem Felsen gelandet. Ich trug Helm und Rückenprotektor, aber der Arzt röntgte mein Becken und sagte: »Oh!«
»Um Himmels willen!«, antwortete ich. »So reden Sie doch!«
»Das Becken ist in Ordnung, aber da ist etwas an der Wirbelsäule. Es hat mit dem Sturz vielleicht gar nichts zu tun. Wir müssen eine Computertomografie machen.«

»Kann es etwas Schlimmes sein? Die Krankheit mit K?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht… Das kann man auf einem Röntgenbild nicht sehen. Eine unbefriedigende Auskunft, ja. Aber was soll ich sagen?« Ich wartete vier Tage auf die Tomografie. Vier Tage lebte ich mit dem Gedanken, ich sei der Mann, dessen Knochenkrebs bei einem Skiunfall entdeckt wurde. Dann stellte sich heraus, dass es sich um die harmlose Verschiebung eines Knöchelchens am Rückgrat handelte. Angeboren.

Auch schmerzt mein rechter Ellenbogen. Mittags habe ich beim Skifahren eine Hütte aufgesucht und in der Hütte die Toilette. Wer je eine Skihüttentoilette gesehen hat, weiß, dass diese Räume mit superglatten Kacheln gefliest sind. Sicher werden sie den Hüttenwirten vom örtlichen Chirurgenklub kostenlos zur Verfügung gestellt. Man sieht dort Männer mit Helmen und Rückenprotektoren bekleidet umständlich-vorsichtig zum Pissoir stelzen, bisweilen auf der Suche nach Halt dem Nachbarn plötzlich um den Hals fallend, als befänden sie sich auf dünnstem, extra für diesen Anlass poliertem Eis. Dies zum Gesang von Hansi Hinterseer, der aus dem Toiletten-Lautsprecher dringt.

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Ich aber war einen Moment lang nicht umsichtig genug, glitt aus und landete auf meinem Ellenbogen. Er blutete. Und schmerzt nach drei Wochen immer noch. Ich bin der Mann, der beim Skifahren auf einem zweitausend Meter hoch gelegenen Klo beim Pinkeln verunglückte.
Zum Arzt bin ich vorsichtshalber nicht gegangen.

Im Internet kann man Fotos eines Mannes sehen, der vor Kurzem großes Pech in einem Skilift in Vail/Colorado hatte. Dieser Mensch wollte sich in einen Liftsessel setzen, dessen Sitzfläche jedoch hochgeklappt war, sodass der Mann durch ein Loch plumpste und mit den Skiern in dieser Lücke hängen blieb. Seine Bindung öffnete sich nicht, jedoch blieb seine Hose am Sitz hängen und wurde ihm vom Leib gerissen, sodass der Mann kopfüber hängend mit nacktem Unterleib abtransportiert wurde, dies bei nicht unerheblicher Kälte, weshalb wohl das Geschlechtsteil des Unbekannten wie ein kleiner waagerechter Eiszapfen vom Körper wegstand.

Schlimmer kann es kaum noch kommen. Man geht zum Skifahren, wird urplötzlich wie ein frisch geschlachtetes Schwein hangaufwärts geschickt, dabei fotografiert – und eine halbe Stunde später lacht die Welt über diese Bilder.

Ehrlich, ich weiß nicht, warum ich noch zum Skifahren gehe. Dies sind Zeiten, in denen man sich einen Helm aufsetzt und einen Brustpanzer umschnallt, wenn man bloß mal auf die Straße geht, um nachzusehen, ob es die Bankfiliale an der Ecke noch gibt. Und da setzt man sich freiwillig in eine Skigondel und hört in seiner Freizeit dem Nachbarn zu, wie er über den Althaus-Unfall räsoniert oder die aktuellen Katastrophen im jeweiligen Skigebiet referiert!?

Ja, man liest auch Zeitungsartikel über unzureichend versicherte Skiläufer, die mit einem einzigen Unfall ihr Leben ruinierten. Und fragt sich, warum wir nicht in einem einzigen Riesenkonjunkturprogramm die Alpen abtragen und mit dem Schutt Deiche gegen die schwellenden Meere errichten. Immer heißt es, die Deutschen seien ein ängstliches Volk. Aber wir gehen Ski fahren. Bitte, sind wir nicht in Wahrheit von größter Verwegenheit?

Illustration: Dirk Schmidt