Das Beste aus aller Welt

Unser Kolumnist wundert sich erst über seltsame Tiere in seinem Haus, versucht dann vergeblich, einen Roman von Philip Roth zu lesen und überlegt schließlich, ob man die Frankfurter Buchmesse nicht einfach mal fünf Jahre aussetzen sollte.

Seit Jahren haben wir ein kleines Haus auf dem Land. Wir wollen nicht, dass die Kinder denken, Milch werde in Milchfabriken hergestellt. Sie sollen Tiere kennen, deshalb. Zum Beispiel lebt auf dem Bauernhof gegenüber ein drei Monate alter Stier namens Boris. Er war eine Frühgeburt und ist nicht größer als ein Schäferhund. Unter der Veranda wohnt ein tagsüber schnarchender Igel. Im Sommer fing ich mit einem Weißbierglas eine Hornisse; wir betrachteten sie aus nächster Nähe, durchs Glas.

So etwas Gru-se-li-ges hatte ich nie gesehen. Diese Beiß- und Fresswerkzeuge! Immer wieder stellte ich mir vor, ich sei eine Fliege und plötzlich stünde eine zehn Mal größere Hornisse vor mir. Oder ich sei ich selbst und stünde einer zehn Mal größeren Hornisse gegenüber. Einer Horrornisse. Ich nahm das Glas und brachte die Hornisse in den Wald.

Vor zwei Wochen fanden wir im Flur einen Molch. Er war fünf Zentimeter lang. Im Frühsommer sieht man solche Molche im Naturschwimmbad auf der Wiese – aber jetzt? Woher kam der Molch? Er verriet es nicht. Die Kinder ließen ihn über ihre Bäuche krabbeln. Sie legten ihm eine tote Fliege zum Frühstück vor, die er verschmähte. Sie warfen ihn in einen Suppenteller voll Wasser und holten ihn rasch wieder heraus, weil er wie tot herumschwamm.

Meistgelesen diese Woche:

Mir fiel Karel Capeks berühmter Roman Der Krieg mit den Molchen ein. Es handelt von einer speziellen Art von Riesenmolchen, die in der Südsee entdeckt und von den Menschen als Arbeitskräfte versklavt werden, bis sie schließlich … Na, lesen Sie selbst!

Ich suchte das Buch. Aber ich fand es nicht. Solche Fälle häufen sich: dass ich Bücher suche und nicht finde. Ich besitze zu viele Bücher, sie sind schlecht geordnet. Trotzdem kaufe ich ständig neue. Neben meinem Bett befindet sich ein ständig wachsender Stapel mit Büchern, die ich lesen will. Paola beschwert sich. Sie könne den Schrank hinter dem Stapel nicht mehr öffnen.
»Auf deiner Bettseite ist ein viel höherer Stapel«, sage ich.
Aber es sei kein Schrank dahinter, sagt sie. Ich sollte aufhören, Bücher zu kaufen. Ich sollte die lesen, die ich habe. Trotzdem: Ich sehe immer wieder Bücher, die ich lesen möchte. Ich kaufe sie. Teilweise kaufe ich sogar Bücher, die ich schon besitze, aber nicht mehr finde.

Nehmen wir Philip Roth. Ich kaufte mir Der menschliche Makel in der Originalversion: The Human Stain. Alles von Philip Roth versuche ich auf Englisch zu lesen, hier hatte ich Probleme. Ich legte das Buch beiseite. Dann erwarb ich die deutsche Ausgabe, um nachschlagen zu können, was ich nicht verstand. Bloß fand ich die englische Ausgabe nicht mehr. Ich habe sie jetzt noch mal gekauft, lese wieder The Human Stain und finde jetzt Der menschliche Makel nicht. Beschuldige Paola, sie habe es weggeräumt. Ärgere mich über mein Englisch. Über die Unordnung. Über das Verlagswesen. Über Philip Roth. Das ist Wahnsinn, ökonomisch, organisatorisch. Wir haben nun Buchmesse. Es gibt etwa 125 000 Neuerscheinungen, doch ich plage mich mit Alterscheinungen herum. Man sollte fünf Buchmessen weglassen, alle Schriftsteller müssten fünf Jahre pausieren, damit ich nachkomme. Das kostet natürlich Arbeitsplätze, womöglich meinen eigenen. Unmöglich.
»Wo ist der Molch?!«, rief ich. »Ich werde Spezialmolche ausbilden, um meine Bücher zu sortieren.« Aber die Kinder hatten ihn freigelassen, hinaus zu den anderen Tieren.

Herr B. aus München schreibt dem Wortstoffhof. Er habe Post vom Flughafen München bekommen, den er häufig benutze. Man müsse seine Daten überprüfen, er solle sie an den Flughafen schicken, die Adresse:
Ausweiswesen@munich-airport.de.
Er fragt: »Was ist ein Ausweiswesen und was macht es mit meinen Daten?«
Ich weiß nicht. Solche Viecher haben wir nicht, Gott sei Dank.

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Axel Hacke klagt über die Flut an neuen Büchern, und trägt dennoch selbst zu diesem Problem bei, völlig ungeniert. Dieser Tage erscheint sein Weihnachtsbuch Alle Jahre schon wieder.

Illustration: Dirk Schmidt