Vor Kurzem wurde der Schauspieler Gene Hackman achtzig Jahre alt. Ich las in der Zeitung einen Artikel über Gene Hackman und seine außerordentlichen beruflichen Fähigkeiten, welche er besonders in den Filmen French Connection und French Connection II zum Ausdruck gebracht habe. Der Text weckte in mir das Gefühl, es könnte schön sein, möglichst bald wieder einmal French Connection mit dem großartigen Gene Hackman zu sehen oder auch French Connection II, den ich noch nie gesehen habe. Ich begann, im Internet nach dem Film zu suchen, hörte aber gleich wieder auf, denn ich musste Luis von der Schule abholen, er hat ein Gipsbein und kann nicht mehr Trambahn fahren, also braucht er täglich einen Chauffeur.
Auf dem Heimweg fragte Luis, der wegen des Gipsbeins Langeweile nach drei Wochen fast als physischen Schmerz empfindet, ob wir an dem Laden für alte Filme in der Müllerstraße halten könnten, er würde gern zwei Filme kaufen. Das taten wir, und natürlich fragte ich gleich nach French Connection und French Connection II, aber sie waren nicht vorrätig. So kauften wir Agent 00 – Mit der Lizenz zum Totlachen so- wie Robin Hood – Helden in Strumpfhosen von Mel Brooks. Statt Gene Hackman sah ich am Abend Leslie Nielsen, hörrmm … Ungefähr zur gleichen Zeit wurde das iPad der Öffentlichkeit vorgestellt, ein tafelartiger Computer, mit dem man überall und jederzeit (ich fasse das für Leute, die noch nie davon gehört haben, kurz zusammen) Musik hören, Bücher lesen, Fotos betrachten, E-Mails verschicken und Wasweißichnoch-alles kann – und auch Filme ansehen. Ich dachte an Gene Hackman: Wenn ich ein solches Gerät besäße, hätte ich nur eine Minute benötigt, schon hätte ich French Connection sehen können, und wenn ich ein zweites Gerät mein eigen nennen würde, hätte ich nach derselben Minute gleichzeitig French Connection II anschauen können, auf zwei iPads nebeneinander.
Wir nähern uns also mit diesem Apparat einer großen Verwöhnung. Es gibt jetzt einen Computer, der in der Lage ist, viele unserer Wünsche sofort und an jedem Ort zu erfüllen. Welche Auswirkungen wird das auf unsere Gesellschaft haben? Wie leben Menschen zusammen, die es – verzogenen Kindern gleich – gewöhnt sind, dass sie alles jederzeit überall sofort haben können?
Wobei das iPad ja nur ein Anfang sein kann. Wünschenswert wäre ein Gerät, dessen Funktionen sich nicht auf Filme, Musik, Bücher, Fotos, Mails beschränken, sondern das überhaupt alles kann. Ich müsste also mit einem iPad auch Brot toasten können, ohne mich vom Frühstückstisch zum Toaster bücken zu müssen. Ich müsste mir auf ihm im Wohnzimmer einen Tee zubereiten können, auch wäre es schön, würde er mir beim Fernsehen die Füße wärmen, noch besser, ich könnte in ihn hineingreifen wie in einen Kühlschrank, um ihm ein Bier zu entnehmen, dessen leere Flasche, würfe ich sie in Richtung des iPads, von demselben fachgerecht entsorgt würde, wobei es nicht zu verachten wäre, wäre man in der Lage, mit dem iPad ein verschüttetes Bier vom Wohnzimmerboden aufzuwischen.
Das ist es, was wir von Apple erwarten: dass man uns im nächsten Entwicklungsschritt den Alles-Apparat präsentiert, den Komplettverwöhner, den iLike, auf dem stehend ich jederzeit zur Arbeit sausen könnte, nachdem ich mich mit ihm eben noch rasiert habe. Oder auf dem wir Olympische Winterspiele nicht nur sehen könnten, wann immer wir möchten – nein, wir beanspruchen, dass Winterspiele genau dann stattfinden, wenn wir sie sehen wollen. Große Wünsche, aber so sind wir eben.
Sehr gut gefällt mir dieses einem Schnippen nicht unähnliche Spreizen von Daumen und Zeigefinger, mit dem man auf dem iPad-Bildschirm Fotos vergrößern und verkleinern kann. Warum nur auf dem Bildschirm? Warum nur Fotos? Vor einem Jahr habe ich mir Winterschuhe gekauft, eine halbe Nummer zu klein, wie ich jetzt feststellen muss, bitte, wenn man hier einfach mit zwei Fingern …
Illustration: Dirk Schmidt