Das Beste aus aller Welt

Vom Pee-Noe No-Arh bis zum "Sockel des Sünders" - Axel Hacke kommentiert das kulinarische Kauderwelsch der besten Speisekarten der Welt.

Wie jedes Jahr präsentiert der Wortstoffhof am Ende der Sommerferien Auszüge der besten Speisekarten aus aller Welt, gesammelt von meinen Leserinnen und Lesern, diesmal nach dem Motto des Restaurants Monteverde auf Teneriffa, das Leser B. zur Verfügung stellte: "Wir Aprachen Deutsches." (Wobei B. auch die englische Sprachtafel "We spoke English" witzig fand, recht hat er.)

Wir eröffnen das Menü mit einem Rätsel: Welches Gericht verbirgt sich hinter den Worten "Marienhirte Hänschen", die Leserin B. aus Rom beim Griechen in Grevenbroich (Europa, es lebe hoch!) entdeckte. Nachfragen, schreibt B., ergab nur die Auskunft: "Iste einfach Hänschen Marienhirte." Nach längerem Grübeln: Es war mariniertes Hähnchen.

So ratlos findet sich der Reisende seit Jahrhunderten in der Fremde, der Landessprache nicht mächtig. Das Seltsame ist nur, dass der Versuch, ihm mit einer übersetzten Speisekarte zur Seite zu stehen, nichts nützt, im Gegenteil, er muss sich nun mithilfe komplizierter Rückübersetzungen helfen.

Meistgelesen diese Woche:

Leser B. entdeckte in der Nähe das Bahnhofs von Metz/Frankreich das Gericht "Sockel des Sünders", begann im Dictionnaire zu blättern und fand, dass "Sockel" auf Französisch assiette heißt, was auch "Teller" bedeutet, und der "Sünder" ein pécheur ist, der pêcheur aber ein "Fischer". Der "Sockel des Sünders" also: ein Fischteller.

Was aber ist "Füllhalter in unserer Leitung", gefunden von Frau B. aus Berlin in Italien? Es muss sich um die Nudelart Penne handeln, Penne bedeutet sowohl "Füllhalter" als auch, nun ja, Penne. Aber "in unserer Leitung"? Dazu muss man wissen, dass der Wirt zuerst vom Italienischen ins Französische oder eine dem Französischen ähnliche Sprache übersetzt hat, also Penne a modo nostro (Penne nach unserer Art) zu Stylos à notre direction. Was dann vom Französischen ins Deutsche übertragen, da direction auch "Leitung" heißt, erwähnte Speise ergibt. Auf Englisch nennt der Dichter das Gericht Way our pens.

Aber kleben wir nicht zu sehr an der Realität? Sollen wir uns nicht dem So-Sein der Sprache überlassen? Uns freuen, dass das Deutsche erst im Ausland zu wahrer Größe findet, frei von Sinn und Grammatik? Hier deshalb die drei schönsten Funde des Sommers:

"Vollgestopfte Eiszapfen des Fleisches badeten in Soße von bechamel", Familie N. fand das auf Mallorca.
"Gefüllter Truthahnbusen", notiert von Leser N. aus Wien in Eger/Ungarn.
"Kinder gefüllt Puppe", eine gruselige Nachspeise, von der Frau O. aus Salzburg in Las
Palmas auf Gran Canaria las. Sie leistete der Aufforderung auf der Karte "Fragen Sie den Fisch des Tages" Folge. Aber der Fisch blieb stumm.

Erstmals möchte ich eine Auszeichnung "Verfehlung des Tages" vergeben, die Frau W. aus Frankfurt/Main auf einer Schiefertafel vor einem Café ihres Wohnortes entdeckte (ohne sich zu merken, was genau verfehlt wurde). Es handelt sich um ein Dessert, das Frau F. aus Riemerling aus Cádiz mitbrachte: "Arrollado von feutchem BisKuitKuchen des Sirups, Geländeauffüllung der SuBe der Milch und Wahnsinniger (Nüsse), gesetz mit Schaum und SchoKolade".

Oder wollen wir den Reiseführer der Halbinsel Kassandra prämieren (leider vergaß ich, wer ihn schickte)? Dort heißt es: "… werden Sie einheimische Leckereien genießen, die mit dem griechischen Kummer gekocht werden." Von der Zutat haben sie gerade reichlich dort unten.

Zum Schluss eine Rarität, aus der Getränkekarte eines China-Restaurants in Lansing/Michigan in den USA, eingesandt vom Ehepaar T. aus Zermatt. Hier wandern französische Weine in eine Mischsprache aus Englisch und Chinesisch, Pinot Noir heißt dort Pee-Noe No-Arh, der Beaujolais Boe-Szho-Lay und ein Vin Rosé Sec Van-Roezay-Sek.

Man kann es halten wie Günther Jauch, der (Leser S. aus Bonn macht darauf aufmerksam), als er ein Weingut an der Saar kaufte und von dpa gefragt wurde, ob er nun an die Saar umsiedeln werde, mit dem Satz zitiert wurde: "Wir haben unseren Lebensmittelschwerpunkt in Potsdam."

So kann man das Problem auch lösen. Aber es entgeht einem vieles.

Illustration: Dirk Schmidt