Das Ende der Welt stellt man sich ja immer als Spektakel vor, so nach dem Motto: Dem Schöpfer reicht es mit seiner Kreation und wie er sie einst vor Milliarden von Jahren mit einem freudigen Urknall geschaffen hat, jagt er sie nun mit großem Getöse für immer in die Luft.
»Siehe, der Herr macht das Land wüst und leer und wirft um, was darin ist, und zerstreut seine Einwohner«, heißt es bei Jesaja in der Bibel, und in den Petrus-Briefen lesen wir: »Doch der Tag, an dem der Herr sein Urteil spricht, wird so plötzlich und unerwartet da sein wie ein Dieb. Krachend werden dann die Himmel zerbersten, die Elemente werden sich auflösen und im Feuer verglühen, und die Erde wird verbrennen mit allem, was auf ihr ist.«
Aber vielleicht wird alles ganz anders sein? Diese Fantasien vom Weltfinale sind ja ausgesprochen narzisstisch; wir können uns einfach nichts anderes vorstellen, als mit allergrößtem Aplomb Abschied vom Dasein nehmen, für alles weniger Tosende fühlen wir uns viel zu wichtig. Als jedoch in Amerika der Shutdown begann und plötzlich kein Geld mehr da war, um die Staatsbediensteten zu bezahlen, dachte ich: Vielleicht läuft dermaleinst (oder auch schon sehr bald) alles ganz anders …
In den USA jedenfalls schlossen eines Morgens die Museen, man konnte die Freiheitsstatue nicht mehr besuchen, sogar die Geheimdienste taten ab sofort bloß noch das Nötigste. Für eine Weile dachte ich: Jetzt ist es mehr als 500 Jahre her, dass Amerika entdeckt wurde – und was ist eigentlich das Gegenteil von Entdecken? Verdecken? Vergessen? Verschwinden? Wäre es möglich, dass die USA dauerhaft den Betrieb einstellen? Dass sie nicht mehr weitermachen? Eines Tages steigen vielleicht auch, zum Beispiel, die Piloten der großen Flugzeuge nicht mehr in ihre Cockpits, weil sie denken: Warum soll ich mich abrackern, wenn ich in der Freizeit nicht mal mehr ins Museum gehen kann? Dann schließen natürlich die Flughäfen, woraufhin viele andere sich ein Beispiel nehmen und daheimbleiben, Mähdrescherfahrer, Paketboten, Müllmänner, Supermarktkassiererinnen, die Vorstandsvorsitzenden, schließlich auch der Präsident, weshalb das Land nicht mehr regiert wird. Und ein Land, das nicht mehr regiert wird – gibt es das noch? Ja, so könnte es mit den USA gehen, dachte ich.
Und warum nicht auch mit der ganzen Welt? Eines Morgens wacht man auf, es geht kein Wind mehr, dann kommt der angekündigte Regen nicht. Aber man denkt sich noch nichts, so was hat es schon oft gegeben. Bloß wird dann auch die Flut an der Küste schwächer und schwächer, das Meer kommt nicht so richtig zurück; es macht irgendwie schlapp. Und plötzlich zünden die Zündhölzer und auch die Feuerzeuge nicht mehr, die Autos springen nicht an, in den Oberleitungen fehlt aus unerklärlichen Gründen der Strom, und auf den Zeitungsseiten klaffen Lücken: Erst fehlen bloß ein paar Kurzmeldungen, dann der Leitartikel, das fällt noch keinem auf. Aber plötzlich ist der Sportteil weg! Im Stadion läuft der FC Bayern nicht mehr auf, in der Oper bleibt die Bühne leer. Sogar von Boris Becker ist nicht mehr das Geringste zu hören, man freut sich zunächst ganz unbändig, dabei ist es ein Alarmzeichen.
Denn bald darauf kriecht die Sonne nur noch müde über den Horizont, als litte das Universum an Altersschwäche oder einem Burn-out. Das Ende der Welt: Könnte es ein sang- und klangloses Verschwinden sein? Ein Runterdimmen, Wegblenden? Möglicherweise ist die Tatsache, dass der Berliner Flughafen nicht in Betrieb geht, schon ein erstes Zeichen? Und dass es die FDP im Bundestag nicht mehr geben soll, bitte, es gab sie doch immer: Wäre es nicht denkbar, dass dies ein Initial ist?
Ein kleiner, unscheinbarer, kaum merklicher Anfang? Vielleicht wachen wir morgen auf – und die CSU ist weg …
Illustration: Dirk Schmidt