Das Beste aus meinem Leben

Menschen bauen Flugzeuge, die achthundert Leute fassen. Menschen schicken Raumschiffe zum Titan. Menschen haben die genetischen Codes aller möglichen Lebewesen entziffert.Man sollte meinen, es müsste möglich sein, eine funktionierende, diverse Belastungen klaglos ertragende Spielzeug-Autorennbahn zu bauen. Das scheint aber schwierig zu sein. Jedenfalls steht bei uns im Flur ein Karton mit einer fabrikneuen Spielzeug-Autorennbahn. Der Luis hat sie zum Geburtstag bekommen. Nun werden wir sie ins Geschäft zurückbringen. Aber wir wollen sie nicht umtauschen. Wir wollen keine neue Bahn. Wir wollen gar keine mehr. Nie.Als ich ein kleiner Junge war, träumte ich von nichts so sehr wie von einer Autorennbahn. Ich stellte mir vor, wie ich damit die spannendsten Rennen veranstalten würde, wie meine Freunde und ich Runde um Runde rasen würden, Stoßstange an Stoßstange um Vorsprünge kämpfend – welch ein Spaß das wäre!Dann bekam ich eine Bahn zu Weihnachten. Ich war angefüllt mit Freude. Wir bauten die Bahn auf. Wir begannen zu fahren. Aber ich weiß nicht, war ich zu klein?, war ich fingermotorisch unbegabt?, es gelang mir nicht, auch nur zwei Runden nacheinander unfallfrei zu fahren. Immer flog mein Wagen aus der Kurve, immer musste ich über die Bahn hinwegsteigen, um die kleinen Stromabnehmer wieder in die Elektroführungsschiene zu setzen.Dann trat ich aus Versehen auf die Bahn und beschädigte sie. Dann gingen die Leitplanken kaputt. Dann fehlten die Stützen für die Brücke.Darauf baute ich die Bahn ab, verpackte sie, stellte sie weg und holte sie nie wieder hervor.Aber mein Bruder wünschte sich Jahre später auch eine Bahn. Er träumte von nichts so sehr wie davon. Er stellte sich vor, wie er damit die spannendsten Rennen veranstalten würde, wie seine Freunde und er Runde um Runde rasen würden, Stoßstange an Stoßstange um Vorsprünge kämpfend – welch ein Spaß das wäre!Mein Vater holte meine Bahn hervor, reparierte sie und gab sie dem Bruder. Dessen Herz war angefüllt mit Freude. Er baute die Bahn auf. Aber ich weiß nicht, war er zu klein?, war er fingermotorisch unbegabt?, es gelang ihm nicht, zwei Runden nacheinander unfallfrei zu fahren. Immer flog sein Wagen aus der Kurve, immer musste er über die Bahn hinwegsteigen, um den Stromabnehmer wieder in die Elektroführungsschiene zu setzen.Dann trat er aus Versehen auf die Bahn und beschädigte sie. Dann gingen die Leitplanken kaputt. Dann fehlten eines Morgens die Stützen für die Brücke.Darauf baute er die Bahn ab, verpackte sie, stellte sie weg und holte sie nie wieder hervor.Der Nächste, der sich eine solche Bahn wünschte, war Luis’ Cousin Paul. Er träumte von nichts so sehr wie davon. Er stellte sich vor, wie er damit die spannendsten Rennen veranstalten würde, wie seine Freunde und er... ja, ja, er bekam sie von seinem Vater. Alles lief wie immer, sie steht heute noch auf einem Speicher.Nun war Luis dran. Er träumte von nichts... Nein, es war Paola, die gern eine solche Bahn gehabt hätte. Oder: die wollte, dass Luis eine Bahn hat. Sie träumte von nichts so sehr wie davon, sie stellte sich alles so vor, wie ich es mir als Kind vorgestellt hatte, und wenn ich von Erfahrungen berichtete und sagte, dass ich nie wieder eine Bahn in meiner Nähe zu sehen wünschte, redete sie vom Fortschritt. Davon, dass alles anders sei als damals.Also bekam Luis die Bahn, eine digitale mit Computer. Luis baute sie zusammen mit Paola auf. Mein Bruder, Paul und ich weigerten uns, sie anzusehen.Aber sie fuhr prächtig. Die Wagen hielten die Spur, die Bahn wurde nicht beschädigt, die Leitplanken blieben heil, die Brückenstützen vollzählig. Eine Stunde lang. Dann sah man auf dem Display des Computers das Wort overload.Das war neu. Das interessierte uns alte Hasen. Nach und nach tröpfelten wir herein, studierten die Gebrauchsanweisung, bauten die Bahn auf und ab, grübelten, bastelten – nichts. Overload blieb, die Bahn fuhr nicht. Nun kommt sie weg. Für immer. Ich nehme an, dass überall auf der Welt Menschen die größte Freude mit ihren Rennbahnen haben. Es ist nur ein Problem unserer Familie. Wir sind verflucht, was das angeht. Forscher müssten eine Bahn speziell für uns Spielzeugautorennbahnidioten entwickeln. Das ist zu viel verlangt.Manchmal denke ich aber, das mit den Achthundert-Mann-Flugzeugen, dem Titan-Raumschiff und den genetischen Codes stimmt auch alles nicht. Sie lügen uns an. Sie machen uns im Fernsehen etwas vor. Sie inszenieren solche Märchen. In Wahrheit können sie gar nichts.