Luis wird dieses Jahr neun Jahre alt, und langsam stellt sich die Frage, welchen Beruf er mal ergreifen soll.Eine Weile wollte er GSG-9-Mann werden. Paola war dagegen. Das sei zu gefährlich, sagte sie, und wir stellten uns vor, wie GSG-9-Leute sich über einem Haus aus dem Hubschrauber abseilen und in das Gebäude eindringen, um Geiseln zu befreien, und wie nur der Luis an seinem Seil hängen bleibt und ruft, seine Mutter habe gesagt, er solle nichts Gefährliches tun, er dürfe nicht ins Haus eindringen, wenn geschossen werde, es sei zu gefährlich.Darüber musste der Luis sehr lachen und wir auch. Ich habe noch gesagt, dass man bei der GSG 9 nicht sehr viel Geld verdiene, damit war die Sache erledigt.Dann wollte Luis Genie werden. Eines Sonntagmorgens bat er mich um »etwas Elektrisches zum Basteln«. Ich gab ihm eine Glühbirne samt Fassung, einige Kabel und eine ausgediente Computermaus. Schärfte ihm ein, er dürfe das auf keinen Fall an den Strom anschließen. Dann holte er sich einen Holzblock, drei Kaminholzscheite, eine Rolle Draht und meine Werkzeugkiste. Und fing an zu bauen.Mit Draht fixierte er die Glühlampenfassung am Holzklotz, drehte die Glühlampe hinein, führte von der Fassung ein Kabel zu einem Holzscheit, drehte drei große Schraubhaken ins Scheit und wickelte außen um die Haken wiederum im Kreis etwas Draht. Zwischendurch erkundigte er sich, ob Strom auch durch Holz fließe oder ob er durch Plastik gebremst werde. Und er murmelte vor sich hin: »So richtig weiß ich auch nicht, was ich hier baue.« Oder, plötzlich begeistert: »Das hätte ich nie von mir gedacht, dass ich so etwas Schönes baue.«Dann wollte er mein Handy haben.»Wozu?«, fragte ich.Er zeigte auf seine Konstruktion. Sie sah aus wie ein Beuys’sches Kunstwerk, nur fehlte ein Hasenfell oder etwas Fett, und es wäre perfekt gewesen. Ich sagte: »Oh, sieht toll aus.« Es sah auch wirklich toll aus.Luis sagte: »Es ist eine Handyauflademaschine.«Ich gab ihm mein Telefon. Er steckte es auf das Kaminscheit zwischen die Schraubhaken und den Draht und sagte, mit dem Finger auf einzelne Partien der Konstruktion weisend: »Der Strom fließt hier entlang, und das hier ist das Hauptkabel B, da wird er abgebremst, der Strom, und dann kommt er zu der Glühbirne und wird gespeichert, und dann, wusch!, kommt er hier ins Handy.«»Großartig!«, sagte ich. »Wirklich großartig, Luis.«Es war auch wirklich großartig.»Jetzt müssen wir es in ein Labor bringen«, sagte er. »Die Wissenschaftler werden begeistert sein, wenn sie sehen, dass ein Achtjähriger so was Tolles gebaut hat.«»Ähm, Luis...«, sagte ich.»Was kostet ein Labortransport?«, fragte er.»Also, Luis, es ist...«»150 Euro? Das ist dir wieder mal zu teuer, was?«»Nein, Luis, es ist nur: Man kann es nicht in ein Labor bringen. Die Wissenschaftler dort haben viel zu tun und...«»Aber man kann ein Handy damit aufladen!«»Das geht ja nicht wirklich. Der Strom kann nicht hier entlangfließen und auch nicht so gut durch die Drähte.«Er ließ die Arme hängen und stand sehr traurig da.»Und ich habe gedacht, es funktioniert wirklich.«»Es war nur ein Spiel«, sagte ich. »Für eine richtige Maschine musst du mehr wissen über Strom.« Ich fühlte mich wie ein sehr schlechter Vater, der seinen Sohn irgendwelche Sachen bauen ließ, statt ihm etwas zu erklären und mit ihm etwas Funktionierendes zu bauen.Aber seine Konstruktion war nun mal sehr schön.Er fing an, das Ding auseinander zu bauen. »Wie soll ich ein Genie werden!«, rief er. »Wenn ich nicht mal eine Maschine bauen kann! Wie wird man denn ein Genie?«»Das kann man nicht lernen, es ist kein Beruf. Ein Genie ist jemand, der viele Sachen sehr gut kann. Goethe. Einstein. Was dachtest du, was ein Genie ist?«»Einer, der was erfindet.«»Also willst du Erfinder werden?«»Ja. Wie wird man das?«»Am besten, du studierst erst mal. Elektrotechnik oder Computerwissenschaften.«Er sagte nichts, nahm sich ein Donald-Duck-Buch und begann zu lesen. Später kam Rudi zu Besuch, sein Freund. Und am Abend sagte Luis, Rudi und er hätten sich überlegt, jetzt ein Buch zu schreiben: über Technik.»Die ersten beiden Sätze wissen wir schon«, sagte er.»Wie gehen die?«»Das Flugzeug ist eines der wichtigsten und schönsten Transportmittel. Zum Transport sehr, sehr großer Sachen ist es aber nicht so gut geeignet.« Irgendwas Großes reift in dem Buben. Ich spüre es.