Die Verkörperlichung der Macht

Wenn sich Politikerinnen und Politiker dem Wahlvolk präsentieren, kommt es auch auf ihre Körpersprache an. Aber was haben die Auftritte von Baerbock, Laschet und Scholz mit Goethe zu tun?

Illustration: Dirk Schmidt

Im Faust II gibt es den Homunculus, einen künstlich geschaffenen Menschen, der nur in einem Glas zu leben imstande ist: zwar fähig zu denken, zu fühlen und zu sprechen, doch eines Körpers entbehrend.

»Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften;
Bis jetzt gibt ihm das Glas allein Gewicht,
Doch wär er gern zunächst verkörperlicht.«

Vielleicht ist das die einzige Literaturstelle, in der das Verb verkörperlichen auftaucht, das Goethe wohl auch nur um des Reimes und der Silbenzahl willen erfand. Gemeinhin geben wir uns mit dem verkörpern zufrieden, das irgendwie lustig klingt. Man könnte es wie verknorpeln oder verkalken verstehen. Sind wir nicht alle am Ende der Pandemie total verkörpert, übergewichtig und dazu auf physische Symptome fixiert, sowieso also nicht nur geistig, sondern auch im fleisch­lichen Vorhandensein mürbe und müde?