Notizen aus den Ferien (I): Wir sind nach Neapel gereist, und gleich am ersten Tag fahren wir aufs Castel Sant’ Elmo hoch oben über der Stadt und dem Golf von Sorrent, Paola, Luis, Sophie und ich. Da gibt es eine Terrasse mit einem der spektakulärsten Blicke der Welt, das Wetter ist auch wunderbar, und wir stehen, blicken und blicken, bis Luis am Eis leckt, das wir ihm am Eingang gekauft haben, und sagt: »Liegt ja echt ganz schön hier.«»Ich fasse es nicht«, sage ich. »Für diesen Blick sind Menschen früher monatelang gereist, und wenn sie endlich hier waren, sind sie weinend vor Glück zusammengebrochen. Heute stehen da Zehnjährige, lutschen am Eis und sagen …«»Mach lieber mal ein Foto«, sagt Paola und drückt mir den Apparat in die Hand.Luis blickt mit unserem Mini-Fernrohr auf den Golf hinaus, dann drückt er Sophie das Rohr in die Hand und sagt: »Schau auch mal, Sophie!«Sophie schließt die Augen und hält sich das Fernrohr mitten auf die Stirn. Sie sieht aus wie ein Mini-Zyklopenmädchen. Wir lachen. Sie lacht.Ich sage: »So ist es kein Fernrohr mehr, es ist eine Art Ferndenkgerät. Man könnte damit die Gedanken der Menschen auf dem Fischkutter da unten mitbekommen.«Sophie hält sich das Gerät ans Ohr, dann an die Nase, und wir lachen alle noch viel mehr.»Jetzt das Foto, bitte!«, sagt Paola.Sie stellt sich mit den Kindern neben den Vesuv. Ich drücke zwei-, dreimal auf den Auslöser. Dann nimmt Paola mir den Apparat aus der Hand, um die Bilder anzusehen, es ist eine Digitalkamera, bei der geht das.Aber nur, wenn man auf den Auslöser gedrückt hat.»Das gibt’s nicht!«, sagt Paola. »Bevor du ein Foto machen willst, musst du natürlich den Schieber hier auf Foto stellen, so hast du jetzt ein kleines Video gedreht.«»Ist doch auch schön«, sage ich.»Wir wollten das aber nicht. Wir wollten Fotos. Das darf nicht wahr sein, dass du es nicht schaffst, vernünftige Fotos deiner Familie zu machen.«Seit wir uns kennen, kritisiert sie, dass ich angeblich schlechte Fotos mache. Und viel zu wenige! »Das ist ein Widerspruch«, sage ich. »Wenn ich schlechte Fotos mache, müsstest du froh sein, dass ich selten fotografiere.«»Ich will aber, dass du viele gute Fotos machst«, sagt Paola. Dagegen ist wiederum wenig zu sagen – außer, dass ich eben ungern fotografiere. »Ich genieße lieber den Moment«, sage ich. »Das Hantieren mit dem Apparat zerstört mir den Genuss.«»Ein Foto zu machen dauert auch nur einen Moment«, sagt Paola. »Du hast mich in zehn Jahren Ehe überhaupt nie fotografiert.«»Dafür bist du auf relativ vielen Bildern drauf«, sage ich.Jetzt drückt sie einem Italiener, der neben uns steht, den Fotoapparat in die Hand. Ich muss mich neben Paola, Luis, Sophie und den Vesuv stellen. »Jeder beliebige Italiener kann das besser als du!«, sagt Paola.»Nun ist es aber …!«»Lächle gefälligst!«Ich lächle, was die Mundwinkel hergeben. Der Italiener ruft: »Ack-tunge! Drei – zwei – anz!«Paola bedankt sich ausführlich bei ihm, er geht mit vielen Worten, dann wollen wir uns die Bilder anschauen. Es ist aber nichts zu sehen.»Du hattest den Apparat nicht eingeschaltet, als du ihn dem Mann gegeben hast«, sage ich. »Das ist aber nun nicht meine Schuld.«»Mach endlich ein Foto von uns!«, knurrt Paola.
Illustration: Dirk Schmidt