Das Beste aus meinem Leben

Gruselig, was Leserin D. aus Haag im Ampertal per E-Mail von einem Bekannten erfuhr: »Morgen werde ich bis Dienstag vereisen.«
»Ist es nicht furchtbar«, schrieb mir Frau D. »Dieser arme Mensch, der sich nun bis Dienstag in einer Art Kältestarre befinden wird!?«
Und mit welcher Lakonie er es mitteilt, dachte ich. Als wäre es die größte Selbstverständlichkeit, mal eben mehrere Tage zu vereisen! Andererseits kam die Mitteilung kurz vor Ostern. Wenn ich mich recht des Wetters entsinne: Vielleicht hatte der Mensch einfach die Vorhersage genau gelesen? Wer Ostern in Deutschland nicht vereisen wollte, musste sich auf Reisen begeben, wobei dort des Grusels nicht unbedingt ein Ende war. Leser G. schickte mir ein Angebot für Wohnungen, die man auf der griechischen Insel Agistri kaufen kann. Zu einer solchen Wohnung gehört neben »Roof Garten mit Grill und magische Ansicht der Extraaufbauangebote« auch Folgendes: »Lebender Raum – Kamin – Küche.« Lebender Raum! Ich vereiste, als ich dies las. Was hat man sich unter lebendem Raum vorzustellen?

Unverzüglich erschien vor meinem inneren Auge ein Zimmer, aus dem es keine Rückkehr gibt. Man betritt es und vernimmt ein leises Schmatzen. Dann bewegt sich ein Sofa auf dich zu, seine Sitzfläche öffnet sich, du siehst zwei Zahnreihen an den Polstern, das Sofa greift an, du ziehst dich mit dem Rücken zur Wand zurück, aber das Bild, das dort hängt, bewegt ebenfalls seinen Rahmen, eine Zunge kommt heraus, schleckt dich voller Appetit ab, das Sofa-Maul ist nun direkt vor dir…
Ein lebender Raum. Nie kehrte jemand aus ihm zurück.

Ich dachte an Pinocchio, der von einem kilometerlangen Haifisch verschluckt wird – innen in diesem Hai findet er Geppetto wieder, seinen Vater, an einem Tisch sitzend vor einer Kerze. Denn auch der Vater ist vom Hai gefressen worden. Da sitzt er nun, im Hai-Bauch, in einem lebenden Raum.

Meistgelesen diese Woche:

In diesem Zusammenhang möchte ich vor dem Rendezvous Hotel in Auckland warnen. Dort wird zwar »bügelndes Brett« und »höfliches Frühstück« angeboten, aber es gibt auch, laut Internet-Seite, einen »enormen lebenden Bereich« sowie, oh!, »Betäuben Suiten« und, schluck!, »eine speisende Suite«. Wie viele Neuseeland-Touristen mag diese Suite fürs eigene Überleben wöchentlich brauchen?

Als weitere Beweise für die tatsächliche Existenz lebender Räume möchte ich anführen:

Erstens die Post von Frau K. aus Augsburg, der im Exposé eines Maklers eine Wohnung mit »Einbauchküche« angeboten wurde. K. wollte die Wohnung nicht nehmen, weil sie mit eigenem Bauch und dem Bauch ihres Freundes einzuziehen beabsichtigte, Zuwachs um einen dritten Bauch nicht ausgeschlossen. Sie verstand nicht, dass es hier um den Bauch der Küche selbst (eines lebenden Raumes also) ging, nicht um die mithilfe der Küche zu nährenden Bäuche.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass sowohl Herr K. aus Wien als auch Herr S. aus Emmering und Herr S. aus Berlin in Kleinanzeigen Wohnungen entdeckten, die über »Altbauch-Arme« (oder wenigstens einen »Altbauch-Arm«) verfügten, Familie B. aus Rietz/Tirol fand sogar eine, die »Plattenbauch-Arme« hatte. Gemeint waren natürlich »Altbau-Charme« bzw. »Plattenbau-Charme«. Haben nicht über einem Altbauch oder einem Plattenbauch verschränkte Arme unser Interesse verdient? Die Arme lebender Räume?

Zweitens den Brief von Herrn B. aus München, der eine Kleinanzeige mit folgendem Text entdeckte: »Rarität: Penthouse… Mit uneinsichtiger Dachterrasse und Lift; Erstbezug mit gehobener Ausstattung«. Er fragt: »Wie bringt man eine Dachterrasse zur Vernunft?«Ich weiß es nicht. Ich beginne ja erst, die Existenz lebender Räume zu verstehen. Wohin wird uns das Thema führen?

Leserin M. schickt das Foto eines Zettels, der hinter der Windschutzscheibe eines Autos im Fränkischen lag: eine Telefonnummer, dazu die Worte »Bei Interesse des Fahrzeugs«. So weit geht das? Dass man anrufen darf, wenn der Wagen Interesse an einem zeigt..?

Illustration: Dirk Schmidt