Das Beste aus meinem Leben.

In der Zeitung stand, Hirnforscher bezweifelten die Existenz eines freien Willens. Sie hätten bei Untersuchungen herausbekommen, dass schon zehn Sekunden, bevor ein Mensch glaube, eine bewusste Entscheidung zu treffen, diese Entscheidung in seinem Hirn feststehe. Er treffe sie gar nicht bewusst. Er vollziehe nur einen unbewussten Beschluss, wer immer den nun getroffen habe.

Dazu eine Geschichte aus meinem eigenen Leben.
Es gab ein Fußballpokalspiel im Fernsehen, abends. Ich plante, dieses Fußballpokalspiel im Liegen zu genießen, mit einem Bier für die erste Halbzeit und einem anderen für die zweite Halbzeit sowie möglicherweise einem dritten für die Verlängerung. Die Kinder pünktlich ins Bett, Paola würde sich ein schönes Buch nehmen, ich mir mein Bier, plopp, zisch, Anpfiff, aaah, hohooo … Wovon man halt träumt, in seinem kleinen Leben.

Im Bad funktionierte an diesem Tag der Abfluss des Waschbeckens nicht richtig. Es war nicht schlimm, man hätte damit wochenlang leben können. Man hätte es nicht jetzt reparieren müssen, eine Stunde vor dem Spiel. Aber ich machte es jetzt. Warum nicht einen Fußballpokalabend mit einer kleinen Abflussreparatur einleiten, dachte ich, holte Eimer, Lappen. Ging ins Bad.

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Der Siphon unter unserem Waschbecken befindet sich hinter einer großen Schublade, in der Drahtkörbe mit Wäsche stehen. Ich öffnete die Lade, entfernte die Drahtkörbe und betrachtete die komplizierte Rohrvorrichtung, bestehend aus mehreren miteinander verschraubten Rohren, nah an der Wand, wegen der Schublade und der Drahtkörbe, die Platz brauchen. Ich platzierte den Eimer, schraubte die Rohre auseinander. »Merk dir, wie sie zusammengehören!«, flüsterte eine Stimme in mir.

Eine Viertelstunde bis zum Spiel.

Paola brachte die Kinder ins Bett. Ich reinigte die Rohre von ekligem grauem Badezimmerhaarschleim. Schraubte alles wieder zusammen. Gehörte jetzt das kurze Rohr direkt an die Wand oder das längere? Musste das längere Ende des gebogenen Rohres nach links oder das kürzere? Ich probierte, schraubte, suchte nach Dichtungen …

Das Spiel begann. Ich bekam die Rohre nicht zusammen. Und wenn ich sie doch zusammenbekam, leckten sie irgendwo, eine Dichtung fehlte, nee, nee, nee …

Paola schaute herein: »Oh, hast du alles auseinandergeschraubt? Das hätte ich nicht gemacht.«

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Der Klempner kam, während der erste Treffer im Spiel fiel. Ich überwachte seine Arbeit, als der Ausgleich fiel. Ich bezahlte ihn in der Verlängerung, als das entscheidende Tor fiel.")

»Das weiß ich«, schnauzte ich, nahm mir ein Bier und setzte mich vor den Fernsehapparat. Die Rohrsache könnte ich nachher erledigen, dachte ich.
Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich hasste den Gedanken, dass im Bad alles herumlag. Ich wusste, dass ich es nicht zusammenkriegen würde. Ich wusste auch, dass ich es irgendwie zusammenkriegen müsste. Wir sind zu viert. Es geht nicht ohne Waschbecken.

Ich setzte mich ins Bad und starrte auf die Rohre. Warum hatte ich das angefangen? Warum habe ich mir selbst den Fußballpokalabend ruiniert? Warum treffe ich Beschlüsse, die meinen eigenen Beschlüssen zuwiderlaufen? Was ist da in meinem Innern? Warum nimmt mein Unbewusstes so wenig Rücksicht auf mich?

Ich griff zum Telefon und rief einen Rohrnotdienst an. Der Klempner selbst warnte vor den Kosten, den Zuschlägen, jetzt, am Abend. Es war mir egal. Diese herumliegenden Rohre im Bad sollten weg. Ich wollte nicht mehr an Rohre denken. Nie mehr an Rohre denken.

Der Klempner kam, während der erste Treffer im Spiel fiel. Ich überwachte seine Arbeit, als der Ausgleich fiel. Ich bezahlte ihn in der Verlängerung, als das entscheidende Tor fiel. Ich betrat das Wohnzimmer wieder während der Interviews nach dem Spiel. Ich fühlte mich den Verlierern nahe. Einer der Spieler der Unterlegenen sagte etwas wie: »Schade. Traurig. Aber wir müssen jetzt nach vorne blicken. Auf die nächsten Spiele, in der Bundesliga.«

Ja, dachte ich, nach vorne blicken, nächste Spiele. Aber dieser Abend hätte doch auch schön sein können.

Und wer weiß, was in meinem Innern für Beschlüsse vorbereitet werden, die nächsten Spiele betreffend?, dachte ich, während ich die Klempnerrechnung zerriss und die Toilette hinunterspülte, um das alles zu vergessen, ja, vergessen, vergessen.

Illustration: Dirk Schmidt