Ist mir langweilig, lese ich ein wenig in der Zeitschrift Psychoneuroendocrinology, in der ich nun einen Aufsatz entdeckte, in dem schlüssig begründet wurde, dass Psychotherapie am wirkungsvollsten ist, findet sie morgens statt. Es hat mit dem Stresshormon Cortisol zu tun, dessen Pegel nach dem Aufstehen am höchsten ist, und es geht um dessen Auswirkungen auf …, ach, fragen Sie mich was Leichteres, ich habe es schon wieder vergessen.
Stattdessen hat mich seitdem die Frage beschäftigt, um welche Tageszeit das Wort Psychoneuroendocrinology am leichtesten auszusprechen ist. Ich habe eine Weile herumexperimentiert und festgestellt: Der optimale Zeitpunkt ist gegen 22.53 Uhr. Man sollte vorher einen schlechten Film gesehen, zu viele Erdnüsse gegessen und zweieinhalb große Gläser Rotwein getrunken haben, kurz: Das Leben muss einem ein bisschen wurscht geworden sein, denn in diesem Zustand ist einem auch dieses Wort nicht mehr so wichtig, eine zentrale Voraussetzung für sein glattes Vonderzungeflutschen.
Psychoneuroendocr … , nein, jetzt ist nicht die Zeit, ich will bis zum Abend warten. Ich glaube übrigens, dass wissenschaftlich nachweisbar ist: Menschen, die den festen Willen haben, um 22.53 Uhr nach zwei Pfund Erdnüssen und einer schönen Ration Rotwein ausgiebig das Wort Psychoneuro … (na, Sie wissen schon) zu üben, sind generell die angenehmeren Zeitgenossen, sie fangen signifikant weniger Atomkriege an, würden niemals grüne Flaschen in den Behälter für Weißglas werfen und lesen die Zeitung von hinten nach vorne, um sich möglichst vorsichtig an die schlechten Nachrichten von Seite eins heranzurobben.
Auch ansonsten ist ja eine gewisse Umsicht in der Tagesplanung nie von Nachteil. Die meisten Leute wissen, dass man seinen Zahnarzt am besten zwischen 13 und 15 Uhr aufsucht, weil um diese Zeit das Schmerzempfinden am geringsten ist, nachts ist es am höchsten. Also: nie um Mitternacht einen Dentisten-Termin ausmachen, auch wenn der Doktor noch so darum bettelt! Darmspiegelungen hingegen lässt der Kenner gerne frühmorgens vornehmen, lässt doch die Aufmerksamkeit der charmanten Darm-Inspekteure im Verlauf des Tages nach. (Näheres nachzulesen in The American Journal of Gastroenterology Nr. 106 vom August 2011, Seiten 1457–1465.) Drittens sollte man sein Mittagessen mittags zu sich nehmen, nie vor dem Frühstück.
Nun aber Folgendes: Zu welcher Zeit darf man als Angeklagter vor Gericht Milde erhoffen? Eine Untersuchung von Urteilen der Jugendgerichte im Staat Louisiana/USA in den Jahren zwischen 1996 und 2012 hat erste Hinweise ergeben! Es stellte sich heraus: Befanden sich die LSU Tigers, das Football-Team der Louisiana State University, in der Tabelle unter den besten zehn und verloren dann aber ein Spiel, bekamen Delinquenten im Schnitt zwei Monate mehr aufgebrummt (in der Regel mit ein paar Extra-Tagen, war die Hautfarbe der Angeklagten schwarz).
Was lernen wir daraus? Erstens: Richter sind auch nur Menschen, was in der Regel allen Beteiligten eines Verfahrens bekannt ist, am wenigsten aber offensichtlich den Richtern; sonst würden sie ja von ihrem Urteil nach einer Niederlage ihrer Sport-Mannschaft routinemäßig zwei Monate abziehen. Ist es, zweitens, möglich, dass auch Spiele deutscher Fußballmannschaften so beklemmende Auswirkungen haben? In diesem Fall wäre in dieser Saison eine weiträumige Meidung Hamburger Gerichte anzuraten, wie ein Blick auf die Tabellenenden der ersten und zweiten Liga rät: Dort befinden sich sowohl der Hamburger SV als auch der FC St. Pauli.
Drittens ist zweifellos das immer neue Weltkrisen hervorrufende, hooliganhafte Auftreten Wladimir Putins auf das äußerst miserable Abschneiden Russlands bei den Fußball-Welt- und Europameisterschaften der vergangenen Jahre zurückzuführen. So dass man den Russen für die WM 2018 (in Russland!) nur das Beste wünschen kann. Es wäre vielleicht ein Segen für uns alle.
Illustration: Serge Bloch