Im Kaufrausch

Axel Hacke hat einen schlimmen Verdacht: Große Teile unseres Lebens finden nur noch unter Alkohol- und Drogeneinfluss statt. Shopping zum Beispiel.

Wer »Cutting Crew« hört, denkt möglicherweise zunächst an ein Friseurgeschäft vom Schlage »Hairgefühl« oder »Kamm on!«, Freunde Wumbabas aber wissen, dass es sich hier um eine Band handelt, die in den Achtzigerjahren mit (I Just) Died In Your Arms einen Riesenhit landete. In dessen Text ist für uns der Vers It must’ve been something you said von Belang. Hört man, wie die Band diese Zeile singt, klingt sie für deutschsprachige Ohren … äh, nee, also ich meine jetzt: für deutsche Hörer wie Du musst besoffen bestellen. (Ich schwöre, ist wirklich so!) Dies gehört also in die Kategorie der Oma- fiel-ins-Klo-Lieder, deren Titel wiederum auf Oh, my feelings grow in Midnight Lady von Chris Norman zurückgeht.

Entsprechende Hinweise auf einen Youtube-Clip hat jeder von uns schon von einer lieben Freundin mit dem Hinweis geschickt bekommen: »Musst Du hören, ist so lustig, Bussiiii!«

Was nun das Besoffenbestellen angeht, so las ich auf finder.com von einer Studie, wonach fast die Hälfte der Amerikaner, die regelmäßig Alkohol trinken, unter dessen Einfluss im Internet einkaufen geht und dabei rund dreißig Milliarden Dollar pro Jahr ausgibt. So was nennt man einen Kaufrausch. Tatsächlich shoppt es sich ja angesäuselt online erheblich leichter als im Laden. Wer das bestreitet, sollte mal versuchen, mit zwei Promille in einer Umkleidekabine eine Hose anzuprobieren. Oder, weil er die Münze für den Einkaufswagen nicht aus der Hose kriegte: mit den Armen voller Schippstüüüten, Sechserpacks und überhaupt allerhand Dddding die scheißenge Kassengasse bei Lllllidlllll ansssuschteuern.

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Und dann muss man ja noch mit dem Auto nach Hause kommen, ohne dass einen die Polizei zur Seite winkt.

Vor einer Weile las ich mal etwas über eine App namens drrrunkshopping, bei der man sich durch eine einfache SMS mit dem Text »Heyyyyy« anmelden kann, worauf man regelmäßig samstags um zwei Uhr nachts Suppenschöpfer in Form des Loch-Ness-Monsters oder in Klebstiftform gepresste Butterstifte angeboten bekommt, mit denen man Toastscheiben bis in die Ecken hinein akkurat einfetten kann – das Ganze unter dem Motto »Kaufen Sie Ihrem nüchternen Ich eine schöne Überraschung!« Irgendwie scheint die Sache nicht gut gelaufen zu sein: Die entsprechende Internetseite ist außer Betrieb. So muss man sich nun das Sonderangebot »Metall-Flaschenöffner im Hunderterpack« oder ein Godzilla-Kostüm für den Haushund wieder mühsam mit besoffenem Kopf selbst aus dem World Wide Web fischen.

Andererseits ist das nur der Scherz-Aspekt der Sache, während die oben erwähnte Studie meinen Verdacht bestätigt, dass große Teile unseres Lebens überhaupt nur noch unter Alkohol- und Drogen-Einfluss stattfinden. Wer die Kommentarspalten unter vielen Nachrichten im Internet studiert, muss den Schluss ziehen, dass ein erheblicher Teil der politischen Debatte des Landes bier- und schnapsgesteuert ist; die Leute sind offenbar alle zwischen dem siebten und achten Pils. Man muss sich nur mal die Oddografie anschauen, dann weiß man, woher die Schnapsfahne weht. Glaubt darüber hinaus im Ernst jemand, dass die russischen Hacker und Trolle, die überall dabei sind, nüchtern sind? Bitte, welcher Russe ist nüchtern, außer Putin? Hat irgendjemand Nigel Farage, der den Brexit erkämpfte, mal ohne Bier gesehen? Und nun hängen die Leute auch noch lallend über den Amazon-Seiten. Shop ’til you drop! Man muss aufpassen, dass man nicht selbst zur Flasche greift, so traurich isses. Sie wollen besoffen bestellen?

Wumbaba sagt: Hören Sie vorher Laura non c’è von Nek, dem Pop-Rocker aus Italien! Da gibt es die Zeile Mi manca da spezzare il fiato, das heißt ungefähr: »Sie fehlt mir so, dass mir die Luft wegbleibt.« Aber statt Mi manca da spezzare hört man laut und deutlich Niemand kann das bezahlen.