Spazio, ergo sum

Wenn sonst nichts mehr geht, geht der Mensch: Von der massenhaften Durchlatschung der Welt.

Illustration: Dirk Schmidt

Alle gehen jetzt spazieren, immerzu. Ich spaziere, du spazierst, er/sie/es spaziert, wir spazieren.
Spazieren kommt vom italienischen spaziare, das heißt umherschweifen.
Ich schweifte umher, du schwoffest umher, er/sie/es schwiffte herum, wir schwafften, schwufften, schwefften. Umher und herum.
Spazio, ergo sum, immer an der frischen Luft ummadumm.

Was soll man auch anderes machen in diesen Zeiten? Früher traf man sich mit Freunden zum Essen oder auf ein Bier. Heute trifft man sich zum lockdown walk. Das Dasein ist ein einziges Lustgewandel geworden, ja, das Weltbruttospazieraufkommen hat sich seit November verzehnfacht, wenn nicht mehr. Gewisse Wege in den großen Parks sind schon niederspaziert worden, der Abrieb unserer Spazierschuhe hat ihre Oberflächen abgetragen, es sind Spaziergräben, ja regelrechte Spazierschluchten entstanden. Man sieht nur noch die Köpfe der Hochleistungspromenierer und Gewaltflaneure.