Zur Feier des Sommerlochs 2015 hat das SZ-Magazin wieder die traditionelle Aktion Kuck mal, der Kolumnist! gestartet! Kuck mal, der Kolumnist! orientiert sich am Vorbild der Sommerlochtiere, die seit Jahrzehnten durch schiere Existenz oder auch Nicht-Existenz das Interesse der Menschen erregen, beginnend mit dem Ungeheuer von Loch Ness (Schottland, 565 n. Chr. bis heute) über die freiheitsliebende Kuh Yvonne (Landkreis Mühldorf, 2011), den Kaiman Sammy (Dormagen, 1994) und den Problembären Bruno (Oberbayern/Österreich, 2006) bis zum verirrten Mischlingsrüden Flecki (Autobahn 8 bei Ulm, 2015).
Die beliebte Aktion begann nach der Gründung des SZ-Magazins 1990 und dem Erscheinen der ersten Kolumnen dort. Sie war aus der Not geboren: Eine Kolumne benötigt Themen. Und da die Leser im Sommer 1990 nicht immerzu nur von der Wiedervereinigung und dem Überfall Iraks auf Kuwait lesen wollten, entschloss sich die Redaktion zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Wie man bisweilen von Pyromanen liest, die einen Brand stiften, um dann als Feuerwehrmann bei der Löschung zu helfen, sollte der Kolumnist von ihm benötigte Ereignisse selbst schaffen, eine Konzeption von so ungeheurer Verwerflichkeit, dass mehrere verantwortliche Redakteure vor Scham über ihre eigene Idee im Boden versanken und nie wieder auftauchten.
Der Rest musste die Sache alleine durchziehen.
Schon das erste Jahr: legendär! Drei Wochen lang ließ sich Hacke, verkleidet mit einem Eisbären-Kostüm, immer wieder im Landkreis Rosenheim blicken, sauste auf Spielplätzen die Rutschbahnen herunter oder trank Bier vor Almhütten. Schon nach 45 Minuten erteilte der damalige Innenminister Stoiber den Abschussbefehl. Kaum wurde dies bekannt, bildete sich eine »Eisbären-Garde«, die den Bären in das Gewand des Gebirgstrachtenerhaltungsvereins »d’Wendl-stoana« Bruckmühl steckte und so wochenlang auf Gautrachtenfesten verbarg. Einmal gewann Eisbär Hacke den zweiten Preis beim Preisplatteln am Samerberg.
Später wurde bekannt, dass Stoiber nachts als Eisbär verkleidet, »Ich möchte ein Eisbär sein … Eisbären müssen nie weinen« summend, durch die Staatskanzlei geisterte und sich als Baby nackt auf Eisbärfellen hatte fotografieren lassen. Die Affäre ruinierte seine Glaubwürdigkeit und trug 17 Jahre später zu seinem Rücktritt als Ministerpräsident bei.
Unvergessen, wie der Kolumnist als Riesenschildkröte »Heinz« im Zoo Hannover lebte, und es unter den Zehntausenden oft stundenlang grübelnd verweilenden Besuchern nur seiner Frau Paola gelang, ihn von den anderen Schildkröten zu unterscheiden. »Ich habe ihn an der Sonnenbrille erkannt«, sagte sie. »Er hatte sie zur Tarnung aufgesetzt, aber an dem Tag regnete es.« Der Kolumnist selbst erklärte: »Am leichtesten ist mir der Gesichtsausdruck gefallen, am schlimmsten war, dass sie mir einen zu engen Panzer gegeben hatten, Größe 48, ich habe 52.«
Schwierig das Jahr 2003. Hacke geisterte als Weißer Hai einen Sommer lang durch die »Badewelt Waikiki« in Zeulenroda/Thüringen, wo man ihm vorwarf, er habe den Gästen einer »Hawaiianischen Erdofenzeremonie« das Wildschwein weggefressen, dazu noch einen Badegast aus Triptis verzehrt und danach laut gerülpst. Hacke entgegnete, von irgendetwas müsse er leben, doch habe er das dazu gereichte »Sauerkraut mit Ananas & Brot« zurückgelassen, »eine Riesenportion«. Extrem fordernd: 2012, die Wochen als Riesenmaulwurf in der Berliner U-Bahn (»Drei Mal hat mir jemand den Blindenstock geklaut«). Die einzige Pleite: 2014. Wochenlang lebte Hacke als Vampir im uneröffneten Berliner Flughafen, »aber es kam einfach nie jemand vorbei, den man hätte aussaugen können«.
Und Kuck mal, der Kolumnist! in diesem Jahr? Eine Sensation! Hacke lebt zurzeit als Staubmilbe in Pep Guardiolas linker Jackentasche und arbeitet an der Vorhersage aller Ergebnisse der Fußball-Europameisterschaft 2016.
Illustration: Dirk Schmidt